das Nebenzimmer.
Weismann trat zu dem Kleinen heran: "Die dritte Nummer des Programms hat
unser kleiner Kuenstler," sagte er, und auf die bereit gelegte Violine
deutend, fragte er: "Ist dein Instrument schoen im Stande?" Edmund
antwortete nicht.
"Ich denke wohl," sagte statt seiner das Fraeulein, "sein Vater hat
vorhin darnach gesehen."
"Hast du dir auch den Platz auf dem Podium gut gemerkt, an dem du stehen
sollst, wenn du spielst?" fragte der Herr, "du weisst doch noch, nicht
ganz dicht am Fluegel?" Es erfolgte wieder keine Antwort.
"Aber Edmund, wie bist du heute so unartig," sagte das Fraeulein, "wenn
dich Papa so saehe!" Da liess der Kleine den Kopf haengen und fing au zu
weinen. Erschrocken zog ihn das Fraeulein an sich. "Sei nur zufrieden,
Kind," troestete sie, "du darfst doch nicht weinen? Wer wird dir Beifall
klatschen, wenn du mit verweinten Augen kommst!" Sie trocknete ihm die
Traenen, Weismann hielt es fuer klueger, sich zurueck zu ziehen, Wilhelm
liess den Kreisel tanzen; halb widerwillig sah Edmund zu, dann versuchte
er selbst die Kunst, die seinen geschickten Fingerchen bald gelang. Er
vertiefte sich in das Spiel. Ploetzlich horchte er auf. Ein Beifallssturm
droehnte aus dem Saal.
"Nun ist Mama fertig," sagte er und sah nach der Tuere. "Nein, sie muss
noch einmal wiederholen," fuegte er nach einer Weile gespannten Horchens
hinzu und kehrte wieder an sein Spiel zurueck. "Bei mir ist das auch
manchmal so, ich mag nicht gern wiederholen, aber man muss."
"Aber bei dir wird doch nicht so rasend geklatscht?" fragte Wilhelm, "so
etwas habe ich noch gar nicht gehoert."
"O ja, einmal ist bei mir am allermeisten Beifall gewesen, du wirst es
nachher schon hoeren," sagte Edmund, war aber schon wieder bei dem
Kreisel, und als nun die Saengerin, bis zu den Stufen von ihrem Gemahl
geleitet, und dann von Weismann empfangen, wieder in das Kuenstlerzimmer
zurueckkam, rief er ihr froehlich entgegen: "Sieh Mama, was ich kann?" Die
Mutter beugte sich zu ihm und sagte: "Gottlob, dass er vergnuegt ist!" und
ein dankbarer Blick fiel auf Wilhelm.
Im Saal erklang der Konzertfluegel.
"Nach Papa kommst du an die Reihe," sagte die junge Mutter und sich an
das Fraeulein wendend, fuegte sie leise hinzu: "Wie mir immer angst ist,
wenn das Kind auftritt, kann ich gar nicht sagen! Frueher war es mir
bange, wenn ich vorsingen musste, aber seitdem das Kind oeffentlich
spielt, hat diese grosse Angst jede andere vertrieben.
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