wurden. Dort hatte
Frieder gewartet und ausgeschaut, schon eine gute Weile. Aber in dem
Augenblick, als die Familie um die Ecke bog, sah er doch gerade in
anderer Richtung.
"Frieder!" rief ihn die Mutter an. Da wandte er sich. "Mutter, o
Mutter!" rief er, drueckte sich an sie und schluchzte. Sie kuesste ihn
zaertlich und sagte ihm freundlich: "Warum weinst du denn, mein kleines
Dummerle, wir sind ja jetzt wieder beisammen!"
"O, du bist so lang, so furchtbar lang fort geblieben!" sagte er, aber
die Traenen versiegten schon, verklaert sah er mit noch nassen Augen zu
ihr auf, ging dicht neben ihr her und liess ihre Hand nicht los, bis sie,
im Hausflur angekommen, wieder beide Arme frei haben musste, um darin die
Juengste aufzufangen, die ihr in lauter Freude entgegensprang und schon
auf der Treppe mit froehlichem Plappermaeulchen erzaehlte, dass soeben zum
Empfang eine Torte geschickt worden sei von Fraeulein Vernagelding, und
dass Frau Hartwig einen grossen, grossen Kaffeekuchen gebacken habe.
Unter ihrer Kuechentuere stand Walburg und sah noch ernster aus als sonst.
Sie hatte die ganze Woche bei Tag und Nacht den Verlust nicht vergessen
koennen, an dem nach ihrer Ueberzeugung nur sie allein schuld war. Was
konnte man von Kindern erwarten? Auf sie hatte sich Frau Pfaeffling
verlassen, ihr hatte sie das Haus uebergeben, und wenn sie nicht die
Kleine allein im Stockwerk gelassen haette, so waere kein Unglueck
geschehen.
Walburg hatte nicht an die Moeglichkeit gedacht, dass Frau Pfaeffling auf
dem langen Weg von der Bahn bis zum Haus noch nichts von dem Ereignis
erfahren haette. Sie erwartete, dass Frau Pfaefflings erstes Wort ein
Vorwurf sein wuerde. Den wollte sie hinnehmen, aber ein anderes Wort
fuerchtete sie zu hoeren, das sie schon einmal schwer getroffen hatte, das
Wort: "ich will lieber eine, die hoert!" Darum stand sie so starr und
stumm, dass Frau Pfaeffling fast an ihr erschrak, als sie nun an der
Kuechentuere vorueber kam. Einen Augenblick durchzuckte sie der Gedanke: es
ist _doch_ etwas Schlimmes vorgefallen, aber im naechsten Moment sagte
sie zu sich selbst: nein, du hast es nur vergessen, wie gross, wie ernst,
wie stumm sie ist, und sie reichte dem Maedchen mit herzlichem Gruss die
Hand. Walburg hoerte den Gruss nicht, aber den Haendedruck, den
freundlichen Blick deutete sie sich als Verzeihung; es wurde ihr leicht
ums Herz, die Dankbarkeit loeste ihr die Zunge und ihr Gegengruss schloss
mit den Worten
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