chen Verhaeltnisse begangen waren, wurden nunmehr im
Kriege und unter dem Druck einer politisch ungeheuer schwierigen aeusseren
Lage des Vaterlandes dazu benutzt, um der Regierung immer weitere
Zugestaendnisse zugunsten einer sogenannten parlamentarischen Entwicklung
zu erpressen. Wir mussten auf diesem Wege an innerer Festigkeit verlieren.
Die Zuegel der Staatsleitung gerieten allmaehlich in die Haende extremer
Parteien.
Zum Nachfolger Bethmann Hollwegs wurde Dr. Michaelis ernannt. Zu ihm trat
ich in kurzer Zeit in ein vertrauensvolles Verhaeltnis. Er war unverzagt an
sein schweres Amt herangetreten. Seine Amtsfuehrung war nur kurz; die
Verhaeltnisse sollten sich staerker erweisen als sein guter Wille.
Die eingetretene parlamentarische Zerrissenheit wurde nicht wieder
gebessert. Immer mehr draengte die Mehrheit nach links und stellte sich,
trotz mancher schoener Worte, in ihren Taten vor die Elemente, die die
bisherige Staatsordnung aufloesen wollten. Immer schaerfer zeigte es sich,
dass die Heimat den wahren Ernst unserer Lage im Streit um Parteiinteressen
und Parteidogmata vergass oder diesen Ernst nicht mehr sehen wollte.
Darueber jubelten unsere Gegner ganz offen und verstanden es, diese
Parteiungen zu schueren.
Bei dieser Sachlage suchte man nach einem Reichskanzler, der in erster
Linie imstande war, dank seiner parlamentarischen Vergangenheit einigend
auf die zerfahrenen Parteiverhaeltnisse zu wirken. Die Wahl fiel auf den
Grafen Hertling. Er war mir als Begleiter des Koenigs von Bayern schon in
Pless bekannt geworden. Ich erinnere mich noch gern der Herzlichkeit, mit
der er mir damals seine Glueckwuensche zu der eben durch Seine Majestaet den
Kaiser vollzogenen Verleihung des Grosskreuzes des Eisernen Kreuzes
aussprach. Es lag fuer mich etwas Ergreifendes und zugleich Ermunterndes in
der Beobachtung, mit welcher Freudigkeit der alte Mann jetzt seine letzten
Lebenskraefte in den Dienst des Vaterlandes stellte. Sein felsenfestes
Vertrauen auf unsere Sache, seine Hoffnung auf unsere Zukunft ueberdauerte
die schwersten Lagen. Er behandelte die parlamentarischen Parteien mit
Geschick, vermochte aber dem Ernst der Lage gegenueber nicht mehr
durchgreifend genug zu wirken. Im Verkehr mit der Obersten Heeresleitung
blieb leider ein wohl von frueher uebernommenes Misstrauen bestehen, das ab
und zu das Zusammenarbeiten erschwerte. Meine Verehrung fuer den Grafen
wurde dadurch nicht beeintraechtigt. Er starb bekanntlich
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