cht verhungert. Fast
das ganze Land befand sich ja in einem Hungerzustand, nicht weil es an
Lebensmitteln mangelte, sondern weil die Landesverwaltung und die
Verbindungen nicht funktionierten, weil nirgends ein Ausgleich zwischen
Bestand und Bedarf geschaffen werden konnte. Wovon und wie die Menschen
der groesseren Staedte lebten, wusste niemand. Konstantinopel versorgten wir
mit Brot, schafften Getreide aus der Dobrudscha und Rumaenien hin und
halfen trotz der eigenen Not. Freilich wuerde das, was wir fuer
Konstantinopel geliefert haben, unsern Millionen von Magen nicht viel
geholfen haben. Haetten wir die Lieferungen verweigert, so haetten wir die
Tuerkei verloren. Denn ein verhungerndes Konstantinopel wuerde revoltieren,
trotz aller Gewaltherrschaft. Ist dort wirklich Gewaltherrschaft? Ich
sprach schon vom Komitee; es sind aber dort auch andere Einfluesse gegen
die starken Maenner taetig, Einfluesse des politischen, vielleicht auch
geschaeftlichen Hasses, durch welche Parteiungen geschaffen werden. Starke
Stroemungen bewegen sich unter der scheinbar ruhigen Oberflaeche; ihre
Strudel werden manchmal oben sichtbar, wenn sie versuchen, die jetzigen
fuehrenden Maenner in die Tiefe zu ziehen.
Das Heer leidet auch unter diesen Stroemungen. Die Heeresleitung muss ihnen,
wie ich schon frueher andeutete, Rechnung tragen, muss manchmal nachgiebig
gegen sie sein, nicht zum Vorteil des Ganzen. Sonst wuerde das Heer, das an
seiner zahlenmaessigen Staerke immer reissender abnimmt, auch innerlich
aufgeloest werden. Der Mangel und die Not zersetzt teilweise die Truppe. An
ihren Bestaenden zehrt aber auch die Endlosigkeit des jetzigen Krieges, der
mit frueheren Feldzuegen, im Yemen und auf dem Balkan, sich fuer so viele
tuerkische Soldaten zu einem grossen ununterbrochenen Ganzen verbunden hat.
Die Sehnsucht nach der Heimat, nach Weib und Kind - auch der Islam kennt
diese Sehnsucht - treibt Tausende der Soldaten zur Fahnenflucht. Von den
vollen Divisionen, die in Haidar-Pascha auf die Bahn gesetzt werden,
kommen nur Bruchteile bis Syrien oder Mesopotamien. Man mag darueber
streiten, ob die Zahl tuerkischer Fahnenfluechtiger in Kleinasien 300.000
oder 500.000 betraegt. Jedenfalls ist sie nahezu so gross, wie die
Kampftruppen aller tuerkischen Armeen zusammen. Kein schoenes Bild und doch
- die Tuerkei haelt noch immer stand und erfuellt ihre Treuepflicht ohne
einen Ton der Klage oder des Wankelmutes nach bestem Koennen!
Auch in Bulga
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