uss, und trotzdem stehen
immer noch tuerkische Armeen in dem weit entlegenen Mesopotamien und
Syrien. Der Araber dort hasst den Tuerken, der Tuerke den Araber. Und doch
schlagen sich arabische Bataillone immer noch unter tuerkischen Fahnen und
laufen nicht in Massen zum Feinde ueber, der ihnen nicht nur goldene Berge
verspricht sondern wirkliches, bei den Arabern so beliebtes Gold
reichlichst spendet. In dem Ruecken der englisch-indischen Armee, die in
Mesopotamien, wie man meinte, den von den Tuerken geknechteten und
ausgepressten arabischen Staemmen die ersehnte Erloesung brachte, erheben
sich diese Erloesten und wenden sich gegen ihre angeblichen Befreier. Es
muss also doch eine Macht vorhanden sein, die hier vereinend wirkt, und
zwar nicht nur eine zusammenpressende Not von aussen, nicht nur ein
politisches Zusammenleben, ein Gemeinschaftsgefuehl im Innern. Auch die
Gewalt der tuerkischen Machthaber kann diese bindende Kraft nicht
ausschliesslich liefern. Die Araber koennten sich ja dieser Gewalt
entziehen, sie brauchten nur die Schuetzengraeben mit erhobenen Armen
feindwaerts zu verlassen, oder im Ruecken der tuerkischen Armeen sich zu
erheben. Und doch tun sie es nicht. Ist es der Glaube, der Rest eines
alten Glaubens, der hier verbindend wirkt? Man behauptet es mit guten
Gruenden und bestreitet es mit ebensolchen. Hier sind unserem Verstaendnis
der osmanischen Psyche die Grenzen gesteckt; wir muessen den Streit der
Meinungen ungeloest lassen.
So ganz lebensunfaehig kann der Staat trotz schwerster Gebrechen also nicht
sein. Man hoert auch von vortrefflichen Beamten, die neben den
pflichtvergessenen Gegenteilen im Amte sind und sich als Maenner mit grossen
Plaenen und grosser Tatkraft erweisen. Einen davon lernte ich in Kreuznach
kennen. Es war Ismail Hakki, ein Mann mit manchen Schattenseiten seines
Volkes und doch ein geistvoller, fruchtbarer Verstand. Schade, dass er
nicht einem Boden mit gesuenderen Kraeften entwuchs. Man sagte, er schriebe
nichts, beherrsche alles mit seinem Kopfe, und dabei sorgte er fuer
tausenderlei, dachte weit ueber den Krieg hinaus nationale, schoene
Gedanken! Was ihn damals am meisten beschaeftigte, worin gleichzeitig seine
groesste Macht lag, das war die Versorgung des Heeres und von
Konstantinopel. Haette man Ismail Hakki entfernt, so haette die tuerkische
Armee Mangel an allem gelitten; sie haette noch mehr entbehrt, als sie es
teilweise schon musste, und Konstantinopel waere viellei
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