rklichkeit. Enver Pascha bezeichnete die Lage mir
gegenueber treffend mit den Worten: "Meine einzige Hoffnung ist, dass der
Gegner unsere Schwaeche an dieser gefaehrlichen Stelle nicht bemerkt."
War nun wirklich irgend welche Wahrscheinlichkeit dafuer gegeben, dass diese
ernstliche Schwaeche am Golf von Alexandrette dem Gegner verborgen blieb?
Ich glaubte nicht. Nirgends konnte der gegnerische Nachrichtendienst sich
ungehemmter entwickeln und fand unter dem bunten Voelkergemisch groessere
Unterstuetzung als in Syrien und Kleinasien. Es schien ausgeschlossen, dass
die englische Oberste Kriegsleitung nicht genaue Kenntnis von den
Verhaeltnissen im dortigen Kuestenschutz gehabt haben sollte. England konnte
auch nicht befuerchten, dass es mit einem Vorstoss aus dem Golf von
Alexandrette in ein Wespennest stossen wuerde; das Nest hatte ja keine
Wespen. War also je ein Ausblick auf eine glaenzende strategische Tat
gegeben, so war das hier der Fall. Die Tat wuerde auf der ganzen Welt den
groessten Eindruck gemacht und ihre tiefgreifende Wirkung auf unseren
tuerkischen Bundesgenossen nicht verfehlt haben.
Warum nutzte England diese Gelegenheit nicht aus? Vielleicht lagen die
Seekriegserfahrungen aus dem Dardanellenunternehmen her jetzt noch laehmend
in den englischen Gliedern, vielleicht war die Sorge vor unseren
Unterseebooten zu gross, als dass man sich von feindlicher Seite an ein
solches Unternehmen gewagt haette.
Die Geschichte wird wohl einmal auch diese Fragen klaeren. Ich sage
"vielleicht", denn Voraussetzung ist, dass England sie klaeren laesst. Wir
bekommen wohl etwas Einblick in die ausschlaggebende britische
Gedankenrichtung durch eine freilich schon vor dem Kriege gefallene
Aeusserung eines hohen englischen Seeoffiziers. Dieser gab zur Zeit der
Faschoda-Angelegenheit auf die verwunderte Frage ueber seine vorsichtige
Auffassung von der Rolle der englischen Flotte in mittellaendischen
Gebieten im Falle eines englisch-franzoesischen Krieges die Antwort: "Ich
habe die strikte Weisung, Englands Ruhm von Trafalgar nicht aufs Spiel zu
setzen."
Der Ruhm von Trafalgar ist gross und berechtigt. Es gibt Kleinodien
abstrakter Art, die den kostbarsten Schatz eines Volkes bilden. England
verstand es, sich ein solches Kleinod im Ruhme von Trafalgar zu bewahren
und es seinem Volke und der ganzen Welt staendig im schoensten Lichte vor
die bewundernden Augen zu halten. Im grossen Kriege fiel freilich so
mancher Schatten ueber
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