Soehne
opfern jahrelange Arbeit, um ihrem alten Vater sorgenfreie Tage zu
bereiten, Gefuehl fehlt nicht und auch nicht Muth und Frohsinn; sie singen
und tanzen die sternenhelle Nacht durch; Rhapsodien loben den Helden, den
Loewentoedter, den Menschenbezwinger. Freude und Leid wird ausgesungen; das
Lied dient auch der Klage, es begleitet die Arbeit, es bejubelt die
Hochzeit." Im grellen Gegensatz steht - gegenueber fast allen andern
Berichten - was Munzinger hier ueber die ehelichen Verhaeltnisse bemerkt,
und es scheint uns fast, als sei wenigstens hier ein rosiger Schimmer ueber
seine Darstellungen ausgebreitet.
Hier muss erwaehnt werden, dass die _Blutrache_ in ganz Abessinien allgemein
herrscht und dass eine ausgebreitete und maechtige Verwandtschaft daher als
ein sehr bedeutendes Schutzmittel gilt. Zu Isenberg kam einst eine Frau in
der groessten Angst gelaufen mit der Bitte, er moege fuer ihren Mann beten,
der am Morgen ohne Begleitung und ohne Waffen ausgegangen sei; dies habe
sein ihm feindlicher Vetter benutzt, um ihm bewaffnet zu folgen. "Wir
erfuhren, dass diese Feindschaft zwischen den beiden Vettern von ihren
Vaetern herruehrt, die einander in toedtlicher Feindschaft umgebracht haben
sollen. Auch die Vettern haben in ihren Streitigkeiten schon zehn ihrer
Leute verloren." Salt lernte einen jungen Haeuptling (Schum) Namens
Schelika Negusta kennen, der einen Feind im Zweikampfe erschlagen hatte.
Mehrere maechtige Verwandte des Gebliebenen bemaechtigten sich seiner Person
und fuehrten ihn vor den Ras, welcher ihn nach dem Gesetze zum Tode
verdammte und zwar wurde er nach mosaischem Gebrauch den Verwandten des
Ermordeten uebergeben, damit diese nach Gefallen mit ihm umgehen moechten.
Gewoehnlich wird bei solchen Gelegenheiten der Thaeter nach dem Markte
gefuehrt und dort zu Tode gespeert, und so sollte es auch dem Schelika
Negusta ergehen, als die Osoro's (Prinzessinnen), von seiner Schoenheit
geruehrt, sich hinter die Geistlichkeit steckten und durch deren
Banndrohungen es vermochten, dass der der Blutrache Geweihte gegen eine
hohe Geldsumme freigegeben wurde.
Die _Justiz_ wird in Abessinien ungemein willkuerlich gehandhabt. Ein
oberster Gerichtshof hatte in der Residenz seinen Sitz und entschied in
weltlichen Angelegenheiten als letzte Instanz. Bezueglich der Todesurtheile
steht dem Koenige die Entscheidung zu. Dieser haelt woechentlich mehrere Mal
oeffentliche Audienz in seinem Palaste, wobei Jedermann Zutrit
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