r Provinz Enderta zu beobachten Gelegenheit hatte, und auch Bruce
berichtet, dass die _Agows_ (im westlichen Abessinien) in ihren Huetten
zahme Schlangen aufziehen, denen sie goettliche Verehrung zollen. Ein
Fremder bemerkt zwischen diesen eigenthuemlichen Menschen und den echten
Abessiniern keinen grossen Unterschied, ausser dass die Agows im ganzen
vielleicht ein staerkerer, aber nicht so ruhiger Menschenschlag sind als
jene. Ihre Sprache jedoch, wie bei den Falaschas und Gamanten das Koara,
ist durchaus verschieden und klingt sanfter und weniger kraeftig als die
von Tigrie. Die Agows in der Provinz Avergale werden unter der Benennung
der Tschertz unterschieden, und das Land, welches sie bewohnen, erstreckt
sich von Lasta bis an die Grenzen von Schirie. Nach der Sage waren die
Agows einst Verehrer des Nil, aber im 17. Jahrhundert wurden sie zur
christlichen Religion bekehrt. Die Agows hegen eine sehr hohe Meinung von
ihrer ehemaligen Wichtigkeit und behaupten, nur von den Bewohnern
Tigrie's, sonst niemals, unterjocht worden zu sein. Es ist leicht moeglich,
dass dieses Volk einen Theil der Urbevoelkerung Abessiniens ausmacht.
Hier muss der Ausdruck _Schangalla_ oder _Schankela_ erwaehnt werden, unter
dem man sich faelschlicherweise einen besondern Volksstamm im Nordwesten
Abessiniens vorstellte und worunter man namentlich die Bazen oder Kunama
verstand. Allein es ist nur ein generischer Name, welcher auf die
heidnischen, ausserhalb Abessinien wohnenden Voelker, namentlich die Neger
und Negersklaven, angewandt wird.
Abessinien besitzt gegenwaertig _zwei Hauptsprachen_, die sich wieder in
mehrere zum semitischen Stamme gehoerige Dialekte trennen. Als
ausgestorbene (seit wann ist unbekannt) Ursprache gilt die _aethiopische_
oder das Geez, das zur Zeit der Einfuehrung des Christenthums geredet und
in welchem alle Buecher abgefasst wurden. Ueber dieselbe hat Hiob Ludolf,
der sich um die aeltere Kunde Aethiopiens die groessten Verdienste erwarb, im
Jahre 1691 eine noch heute vielfach mustergiltige Grammatik verfasst.
Denkmaeler der alten aethiopischen Sprache, in Stein eingegraben, sind an
verschiedenen Orten des Landes aufgefunden und entziffert worden;
besonders aber in der alten Koenigsstadt Axum in Tigrie. Auf einem
Schutthaufen daselbst entdeckte Rueppell drei gleichgrosse Kalksteinplatten,
jede ueber vier Fuss lang und mit ziemlich wohl erhaltenen aethiopischen
Lettern bedeckt. Ein abessinischer Geistlicher entziffert
|