Herden und Zelten von dem
ungeahnten Waldstrom ueberfallen und fortgerissen wurden. Hundert Menschen,
Tausende von Ziegen wurden seine Beute."
Tritt hier der abessinische Strom vernichtend auf, so erfuellt er
andererseits eine hohe Aufgabe. Unser Landsmann Eduard Rueppell war der
erste, welcher 1832 darauf hinwies, dass _diese Stroeme die Bildner des
fruchtbaren Erdreichs in Aegypten und die Ursache der Nilueberschwemmungen_
sind. "Die aufgeloesten vulkanischen Massen Abessiniens", sagt er, "sind,
indem sie von den zur Regenzeit anschwellenden Fluessen fortgefloesst werden,
die Elemente jener befruchtenden Erdablagerungen, welche der Nilstrom
laengs seinem ganzen Laufe seit Jahrtausenden alljaehrlich absetzt. Bedenkt
man die ungeheure Erstreckung des von diesem Flusse angeschwemmten Landes
in Nubien und Aegypten, so wird man mit Erstaunen erfuellt ueber die Masse
der nach und nach durch die Verwitterung zerstoerten Vulkane Abessiniens."
(Reise in Abyssinien, II, 319.)
Erst volle dreissig Jahre spaeter widmete der Englaender Baker dieser
Thaetigkeit der abessinischen Stroeme sein Augenmerk; ein ganzes Jahr lang
zog er im Gebiete derselben umher und hielt sich dann schliesslich fuer den
Entdecker der schon frueher von Rueppell aufgestellten Thatsache, die
allerdings von ihm in vielen Stuecken erlaeutert wurde. Der _Atbara_, der
_Takazzie_ oder _Setit_, der _Salam_, _Angrab_, _Rahad_, _Dender_ und der
_Abai_ oder _Blaue Nil_ sind die grossen Entwaesserungskanaele Abessiniens;
sie haben alle einen gleichfoermigen Lauf von Suedost nach Nordwest und
treffen den Hauptnil in zwei Muendungen, durch den Blauen Nil bei Chartum
und durch den Atbara.
Alle die genannten Stroeme gehoeren zum Gebiete des Nil. Als Hauptquelland
des Abai (Blauer Fluss, Bahr el Asrek) muss das Becken des _Tanasees_ (Zana,
Tsana) betrachtet werden. In einem ungeheuren, vom Hochland umlagerten
Becken sammeln sich ungefaehr im Mittelpunkte von Amhara die meisten
Gewaesser von Godscham, Begemeder und Dembea und bilden in einer Meereshoehe
von 5732 Fuss einen herrlichen Alpensee mit zahlreichen Inseln, eingesaeumt
von gruenen Matten und reichen Kulturebenen, durch welche in
Schlangenwindungen zahlreiche Bergwasser rinnen. Der Tanasee, welcher in
elliptischer Form einen Raum von etwa einhundertfuenfzig Quadratstunden
einnimmt, war einst wol um die Haelfte groesser, aber im Laufe der
Jahrtausende haben die fortwaehrenden Schlammniederschlaege von zersetzter
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