Sage und dem des Dichters in zwei
verschieden angeschlagenen Grundtoenen offenbaren.
Keinen Anhalt dagegen gibt die Sage, wenn Faust es empfindet und
ausspricht, dass er ueber die grosse Masse der Gelehrten weit
hinausrage[15], ihm aber dafuer auch fehle, woran sie sich freuen,
naemlich bei aller Beschraenkung der Glaube, sie wuessten etwas Rechtes,
vermoechten die Menschen zu bessern und bekehren. Wie Sokrates den
Sophisten gegenueber, die da glaubten, etwas zu sein ohne es zu sein, zu
der Erkenntnis gekommen war, dass wir nichts wissen koennen, so auch hier
Faust. Fuer ihn ist sie zunaechst niederschmetternd, fuer den Philosophen
des Altertums ward sie die erste Stufe, von ihr aus zu klaren Begriffen
aufzusteigen. Sein Charakter hatte schon den jungen Goethe fruehe zu
dichterischer Darstellung gereizt. Die Lektuere von Platons Apologie,
Hamanns Sokratischen Denkwuerdigkeiten[16] hatten ihn ihm naeher gebracht.
Die Geschichte Gottfriedens von Berlichingen, in der er seinen Helden in
mutigem, aber vergeblichem Kampfe gegen eine neue Zeit dargestellt
hatte, war eben vollendet worden; da draengte sich ihm am Ende des Jahres
1771 der Plan zu einem Sokrates auf; nach dem Goetz zog ihn das Bild
eines Geisteshelden, von welchem Schlage ja auch Faust war, an; der
heldenmuetige Kampf gegen die feindlichen Maechte des Unverstands und des
Scheins, gegen das "pharisaeische Philistertum" sollte vorgefuehrt
werden[17]. Es ward nicht ausgefuehrt. Was dem Dichter daraus lebendig
blieb, ward von dem maechtigen Strom des Hauptwerkes aufgenommen, diente
dem hierin mit Sokrates geistesverwandten Faust zur Charakteristik.
Faust entbehrt aber nicht nur der Freude, die die grosse Menge bei ihren
Beschaeftigungen empfindet, auch sonst mangelt seinem Leben jede aeussere
Zierde und jeder Glanz, die ihm, da er die Schranken seiner inneren
Menschheit fuehlt, eine Art von Ersatz bieten koennten fuer die innere
Einschraenkung des Menschen[18]; auch in seinem aeusseren Leben ist ihm
eine gewisse Freiheit der Bewegung nicht vergoennt: So empfindet er tief
in seinem Inneren die Grenzen der Menschheit, und blickt er nach aussen,
so fuehlt er sich auch hier in der Enge. "Es moecht kein Hund so laenger
leben!"--Der Vergleich mit Werther draengt sich hier von selbst auf. Was
ihn kennzeichnet, ist das Gefuehl, nie Befriedigung finden zu koennen.
Ahnungen und Begierden sieht er in seinem Inneren, die in keinem
Verhaeltnis stehen zu der Einschraenkung der
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