o, wie er sie erlebt hatte[188].
Wenn auch dem Sohne des aufgeklaerten Zeitalters, dessen Auswuechse er
selbst bekaempft hatte, und dem er dennoch angehoerte, auf Schritt und
Tritt die alte Sage widerstrebte, so kehrt doch der Dichter immer wieder
zu ihr zurueck, und er ist so gluecklich, aus seinem eigenen Leben den
Stoff nehmen zu koennen, womit er die alte Form erfuelle, wie es scheinen
moechte, in dem Geiste der Ueberlieferung, in der That aber, indem er mit
seinem Geiste das Alte neu belebte. War das nicht mehr moeglich, dann
brach die Dichtung ab. Denn Charakter und Thaten seiner Helden mussten
sich mit Charakter und Thaten in ihm amalgamieren, wenn ein Werk sich
voellig ausgestalten sollte[189].
Daher fragt es sich bei einem Werke Goethes immer: Wann waren diese
Gefuehle bei dem Dichter in dieser Weise lebendig, dass sie zu Motiven
seiner Dichtung werden konnten? Wann rang er sich aus dem "Wirrwarr des
Gefuehls" mehr und mehr zur Klarheit durch, um endlich durch die
Darstellung sich von allem Druck zu befreien und zu vollstaendiger
Gewissheit ueber das, was ihn bewegte, zu gelangen. Aeusserliche, zufaellig
ueberlieferte Entstehungsangaben foerdern uns hier nicht viel; den Spuren
seiner Motive muss nachgegangen werden[190]. Dabei hilft uns, was wir vom
Leben des Dichters sicher und verbuergt wissen, vor allem aber seine
gleichzeitige Dichtung. Sie muss herangezogen werden, dass wir durch sie
einen sicheren Boden gewinnen; sie gibt uns die Entstehung, Entwicklung
und Ausbildung der Motive, die der Dichter immer wieder von neuem aus
seinem Inneren holt, um sie fuer seine Dichtung fruchtbar zu machen. Dann
koennen wir mit Bestimmtheit erklaeren: Um diese Zeit hat der Dichter
diese Anschauung in sich in dieser Weise ausgebildet. Die Stelle ist
also damals geschrieben. Das, was er geschaffen, ist das lebendige Kleid
des dichterischen Geistes, das er sich selbst immer von neuem wirkt. Aus
dem wechselnden Gewand muessen wir auf den Geist des Dichters schliessen
und in die Tiefen seiner Entwicklung eindringen.
Da nun im vorigen Schritt fuer Schritt die Entstehungsmotive aufgedeckt
sind und sich aus dem von selbst sich aufdraengenden Vergleich mit der
uebrigen Dichtung des jungen Goethe, zumal da wir ueber ihre Entstehung
besser unterrichtet sind, ein bestimmter Anhalt gewinnen liess, so ist
die Frage ueber die Entstehung der ersten Hauptmasse schon beantwortet.
Vor allem sprang uns der charakteristische Zusammenhang m
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