usste hinaus in die Welt, ins Leben! Auch ihn fasst das Gefuehl der
Unbefriedigung und der klaeglichen Enge seines Lebens; er verwuenscht sein
Leben, aber nicht das Leben ueberhaupt; er ist von gesuenderer
Konstitution als sein ungluecklicher Bruder. Ihm schwindet nie die
innere Kraft, wenn er sie auch nicht immer, im dunklen tappend,
anzuwenden weiss. Er fuehlt den Mut zum Leben!
Aus alledem darf der Schluss gezogen werden, dass die erste Hauptmasse des
Faust nach dem Werther gedichtet ist, dass gerade der Werther die innere
Arbeit am Faust unterbrach, die erst nach seiner Vollendung wieder
aufgenommen ward. Die erste Hauptmasse ist also fruehestens im Jahr 1774
gedichtet.
Dazu stimmt auch voellig, was, wie wir gesehen haben, von religioeser und
kuenstlerischer Anschauung und ueberhaupt von seiner Lebensanschauung hier
dichterischen Ausdruck gefunden hat. In seinem Verhaeltnis zu dem
Goettlichen offenbart sich die Erkenntnis, dass eine unmittelbare
Annaeherung unmoeglich, dem Schmachtenden nicht vergoennt sei, aus dem
Urquell des Lebens selbst sich schoepferische Kraft zu holen. Darum
wendet er sich unwillig von der Gottheit ab. Der Zusammenhang mit der
Gefuehlswelt, der der Prometheus entsprungen ist, ist hier deutlich. Auch
er wendet sich im heftigen Unwillen von den Goettern ab, da er sieht, dass
sie ihm nichts geben koennen; aber er sucht alsdann in seinem Stolz alles
in sich. Das thut Faust nicht. Der prometheische Trotz erscheint also
hier schon ueberwunden. Auch in dem Drama Prometheus, das Ende 1773
gedichtet ist[193], ist der schliessliche Sieg der Gottheit ueber den
Empoerer im voraus angedeutet. Mag sich daher auch Faust in
prometheischem Unwillen abwenden, so erhebt er sich doch nicht in
prometheischem Trotz gegen das Goettliche. Dass sich aber diese
uebermuetige Aufwallung, die sich in stolzer Konzentration in sich gegen
die Gottheit verschloss, so bald gelegt hatte, dazu trug nicht zum
geringsten bei, dass der junge Goethe von neuem an die Grenzen
menschlichen Vermoegens erinnert worden war, bei seinen Versuchen auf
dem Gebiete der bildenden Kunst, mit der er sich ernstlicher in den
Jahren 1773/74 beschaeftigte, einer Zeit, da das Dichten und
Bilden unaufhaltsam mit einander ging[194]. Wir wissen, wie er in
eigentuemlicher Verkennung seiner Faehigkeiten daran glaubte, zum
bildenden Kuenstler geschaffen zu sein. Damals schlaegt ihm das Herz, da
er zum ersten Mal in Oel zu malen beginnt: "Mit welcher Beu
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