r auf ein Verbinden ankommt und es dabei
aehnlich zugeht wie beim Weben, da unzaehlige Faeden, einmal durch einen
Schlag in Bewegung gesetzt, sich zum Gewebe vereinigen, so kommt nun der
Philosoph und beweist, was ihm hier das Hauptstueck zu sein scheint, die
Notwendigkeit des Vorganges und wie notwendig eins aus dem andern folgt.
Was hilft uns aber diese Weisheit? Keiner denkt daran, wie wenig damit
gewonnen ist. Keiner wird dadurch ein Weber, dass er die Faeden des
Gewebes auftrennt und sie im einzelnen nachweist. Gerade die Hauptsache,
die Kraft, die ein Ganzes in allen seinen Teilen hervorbringt, wird
ausser Acht gelassen. "Schaedlicher als Beispiele sind dem Genius
Principien. Vor ihm moegen einzelne Menschen einzelne Teile bearbeitet
haben. Er ist der erste, aus dessen Seele die Teile, in ein ewiges Ganze
zusammengewachsen, hervortreten." So Goethe in der Baukunst;[378] bei
der dritten Wallfahrt nach Erwins Grabe im Juli 1775 ruft er ueber dessen
Meisterstueck aus: "Du bist eins und lebendig, gezeugt und entfaltet,
nicht zusammengetragen und geflickt[379]." Waehrend daher das Genie
schoepfergleich ein Ganzes, zu dem sich die Teile eben durch die zeugende
Kraft von selbst zusammenfuegen, hervorbringt, treibt die Philosophie
gerade dem Lebendigen, das sie erkennen und darstellen moechte, den Geist
aus; die Teile haelt sie zwar in der Hand; aber das geistige Band, das
sie zum Ganzen verflocht, ist zerrissen[380]. Ebenso macht es auch die
Chemie; sie sucht die Teile der schaffenden Natur in die Hand zu
bekommen, im Glauben, daraus koenne sie ein Ganzes bilden. Mit unbewusstem
Spotte nennt sie diesen rohen Versuch treffend _Encheiresis_ naturae,
als vermoechten ihre Handgriffe den schaffenden Geist der Natur zu
ersetzen[381]. Im aehnlichen Sinne aeussert sich auch Herder in den
Fragmenten: "Allein zur Erweckung des Genies traegt dies Zergliedern
nichts bei; bei aller Muehe bleibt die vivida vis animi so unangetastet
als der rector Archaeus bei den Scheidekuenstlern: Erde und Wasser bleibt
ihnen; die Flamme verflog, und der Geist blieb unsichtbar; allen ihren
chymischen Zusammensetzungen koennen sie nach dem, was sie bei der
Scheidekunst gewahr wurden, zwar Farbe, Geruch und Geschmack, nie aber
die Kraft der Natur geben[382]." Die gemeine Encheiresis der Natur,
wodurch sie Leben schafft und foerdert, wie sich Goethe einmal am Ende
seines Lebens ausdrueckt, wird durch solche Bemuehungen nicht
enthuellt[383]. Ein Unerforsch
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