Methaphysicieren da"--ruft Herder in der schon mehrfach
angezogenen Beurteilung eines Werkes von J. Beattie aus--"und trennet er
einmal Vernunft vom gesunden Verstande, Spekulation von Gefuehl und
Erfahrung--der Daedalus und Ikarus hat den festen Boden der Mutter Erde
verlassen; wohin kann er sich mit seinen waechsernen pennis homini non
datis hin verlieren? wohin kann er sinken?--Spekulation als
Hauptgeschaefte des Lebens--welch elendes Geschaefte! _Sie gewoehnt endlich
alles als Spekulation anzusehen!_ ein Opium, was alle Lebenskraft toetet
und mit suessen Traeumen saettigt, u.s.w.--Spekulation loeset das eiserne
Band der Natur, Trieb und Nerven in Zwirnsfaeden" u.s.w.[392] Goethe
selbst scheint wieder zu reden in einer kurzen Mitteilung ueber Lavaters
Geheimes Tagebuch: "Das wahre Leben verdraengt gewiss das Spekulieren, so
wie Gefuehl das Raisonnement;"[393]--Mit voller Bestimmtheit ist Goethe
in folgenden Worten der Rezension ueber Sulzers schoene Kuenste zu
erkennen: "Er bedenke, dass er sich durch alle Theorie den Weg zum wahren
Genusse versperrt, denn ein schaedlicheres Nichts, als sie, ist nicht
erfunden worden[394]."
Ueberall also im Widerspruch zu dem starren Formalismus der Zeit der
Hinweis auf Lebenskraft und Lebensgehalt; aus den Geisteskaempfen dieser
Zeit sind auch vor allem die satirischen Scenen des aeltesten Faust
erwachsen. Dies ist der Boden, in dem sie wurzeln.
Fuer den Studenten freilich sind die widerspruchsvollen Lehren des
Professors ebenso viele Raetsel, ihm ists als wie ein Traum. Zum Abschied
ueberreicht er sein Stammbuch. Der Teufel schreibt sich mit den Worten
ein, mit denen einst die Schlange im Paradies die ersten Menschen
lockte[395]. Die symbolische Bedeutung der Scene ist dadurch zum
Schlusse deutlich ausgedrueckt und zugleich in die Form gebracht, die
bereits die aelteste Urkunde des Menschengeschlechts gebraucht
hatte.[396] Mephistopheles weist wieder auf den Baum der Erkenntnis hin;
er will den Schueler auf denselben Pfad verlocken, auf dem einst auch
Faust wandelte, ehe er sich dem Teufel uebergab. Aber der Erfahrene sieht
voraus, welch schwere Pein auch jenem aus der erstrebten Gottaehnlichkeit
erwachsen wuerde. Dann wird es auch ihm nach dem Baume des Lebens
verlangen; Er wird verstehen lernen, was ihm einst in des Teufels Worten
noch unverstaendlich geblieben war. Die Geistesverwandtschaft zwischen
Faust und dem Schueler ist schon betont[397]. Darum bildet auch der
letztere
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