in unserem Busen teils empfanden, teils ahneten, und die, wenn
man sie sonst gescholten hatte, uns nunmehr als etwas Wichtiges und
Wuerdiges vorkommen mussten, weil sie der Hauptgegenstand unserer Studien
sein sollten, und die Kenntnis derselben als das vorzueglichste
Bildungsmittel unserer Geisteskraefte angeruehmt ward. Ueberdies war eine
solche Denkweise meiner eigenen Ueberzeugung, ja meinem poetischen Thun
und Treiben ganz angemessen"[272]. So scheint es auch Goethe zu sein,
der ein Werk, das sich mit diesen Fragen beschaeftigte, in den Frankf.
Gel. Anzeigen beurteilte[273].
Allein Wagner wird auch von der Pforte dieser Erkenntnis zurueckgewiesen;
ist sie auch nicht unmoeglich, so ist doch die wahre Erkenntnis auf
wenige beschraenkt; fuer sie bringt sie aber nur, falls sie ausgesprochen
wird und nicht im Innern bewahrt bleibt, schwere Gefahr. Denn trotz
aller geruehmten Toleranz, fuer die der junge Goethe selbst in seinem
Schreiben des Pastors eingetreten war, wo er gefordert hatte, sie duerfe
nicht aus Gleichgueltigkeit entspringen, sondern muesse auch aus dem
Herzen kommen, war es auch im 18. Jahrhundert noch gefaehrlich dem Poebel
sein Gefuehl und Schauen zu offenbaren. Der Verfasser der oben erwaehnten
Schrift z. B. befuerchtet ueble Folgen fuer sein Buch aus dem
Verfolgungsgeist dieser Zeiten. Der Rezensent fuegt hinzu: "Wir koennen
ihm dafuer nicht buergen, ob es gleich sehr unrecht waere, eine
Untersuchung, die den Menschen nur auf einer Seite betrachtet, zu
verdammen, die Betrachtung der anderen Seite kann alles wieder gut
machen. Doch wenn man verdammen will, wer denkt daran!"[274] In seinem
Traktat ueber die Toleranz aber schreibt der junge Goethe: "Genung, die
Wahrheit sei uns lieb, wo wir sie finden.------Und wem darum zu thun
ist, die Wahrheit dieses Satzes noch bei seinem Leben zu erfahren, der
wage, ein Nachfolger Christi oeffentlich zu sein, der wage sichs merken
zu lassen, dass ihm um seine Seligkeit zu thun ist! Er wird einen Unnamen
am Halse haben, ehe er sichs versieht, und eine christliche Gemeine
macht ein Kreuz vor ihm"[275].
Faust bricht die Unterredung, fuer die Wagner keine bessere Bezeichnung
als gelehrt weiss, ab; Wagner entfernt sich. Der Gegensatz ihres Wesens
tritt Faust noch einmal lebhaft vor die Seele. Er selbst greift nach dem
Hoechsten; da es ihm nicht wird, schwindet ihm alle Hoffnung--und Wagner
verliert sie nie, der bei seinem Streben am Kleinlichsten haften bleibt
und mit
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