o erscheint ihm jetzt die Weltnatur
lockend in leuchtendem Glanze der Morgenroete.
Ein helleres Licht ueber den tieferen Zusammenhang zwischen dem Zeichen
des Makrokosmus und jenem Mahnworte des Weisen verbreitet sich noch,
wenn wir Herders Schrift: "Aelteste Urkunde des Menschengeschlechts"[53]
zur Erklaerung heranziehen. Der erste Band erschien Ostern 1774. Mit
begeisternder Anerkennung zeigt sie Goethe am 8. Juni 1774 Schoenborn
an[54]. Scherer[55] hat bereits mit Recht auf ihre Bedeutung fuer unsere
Stelle hingewiesen; es wird sich jedoch lohnen, noch tiefer als er es
gethan hat, auf Herders Ausfuehrungen einzugehen. Die aelteste Urkunde des
Menschengeschlechts ist die Schoepfungsgeschichte im ersten Kapitel des
ersten Buches Mosis. Herder bekaempft zunaechst die unhistorische Art
ihrer Erklaerung. Alle physische und metaphysische Weisheit des 18.
Jahrhunderts muss hierbei fern bleiben. Vielmehr hinaus aus den dumpfen
Lehrstuben in die freiere Luft des Orients! Er versetzt sich daher ganz
in die Natur des Morgenlandes und in die sinnliche Anschauungskraft des
Morgenlaenders. Wo offenbart sich aber unserem Auge die Schoepfung besser
und immer von neuem als jeden Morgen im werdenden Tage?
"Komm hinaus, Juengling, aufs freie Feld und merke. Die uraelteste
herrlichste Offenbarung Gottes erscheint Dir jeden Morgen als Thatsache,
grosses Werk Gottes in der Natur[56]". Fuer den Menschen ist nun die
Schoepfung ein Gewuehl einzelner abgesonderter, ganzer Geschoepfe; jedes
fuer sich eine Welt; keins mit dem andern zusammenhaengend, keins dem
andren aehnlich. Was soll er da aus dieser bestuermenden Rhapsodie aller
Geschoepfe herauslesen? Der moderne Mensch sucht sich durch Zergliedern
und Absondern zu helfen. Der Naturmensch aber, der nichts von diesen
Abstraktionsgaben weiss, trachtet danach, sich aus diesem Chaos von
Wesen, Kraeften, Gestalten, Formen den Kosmos zu bilden. "Fuer den
lebenden, wirkenden Naturmenschen--was war nun da fuer ein Bild, Ordnung,
Lehrmethode, die ihm die Schoepfung unbetaeubend und doch ganz, nach und
nach und doch im Zusammenhange, mit Macht, Einwirkung, Lust fuers Herz
und ohne Blendung und Duesterung des Auges gebe--suche Naturkuendiger
zwischen Himmel und Erde, andres Bild, bessere Ordnung und Folge, als
diese----Lehrmethode Gottes!" d.h. die er jeden Morgen bei dem
"Unterricht unter der Morgenroete" anwendet[57]. Gott selbst ist es, der
bei jedem Tagesanbruche die Schoepfung in schoener, deut
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