nem Anblick steht
ihm die ganze Weltschoepfung lebendig vor Augen. Neues Leben und
Wirkungskraft erfuellt ihn. "Wie vor jedem grossen Gedanken der Schoepfung,
wird in der Seele reg, was auch Schoepfungskraft in ihr ist" schreibt der
Dichter spaeter in dem Gebete der dritten Wallfahrt nach Erwins Grabe im
Juli 1775[86]. Gottgleich schaut Faust tief hinein in die Gruende der
schaffenden geschaffenen Natur. Wie einst Werther in gluecklichen Tagen,
da ihn das volle warme Gefuehl seines Herzens an der lebendigen Natur mit
Wonne ueberstroemte, wird auch Faust von Freude erfuellt. Man vergleiche
dazu die herrliche Stelle in Werthers Brief vom 18. August[87].--Ihm
erweckt aber nicht ein Zeichen das Bild der ganzen Schoepfung, der
gestalteten, wie der wirkenden Weltnatur, sondern der Anblick des
Naturlebens selbst; durch es wird sein Auge geoeffnet fuer das innere
gluehende heilige Leben der Natur; indem er es erschaut, steht die Welt
in ihren Grundzuegen vor ihm. Die herrlichen Gestalten der unendlichen
Welt bewegen sich allebend in seiner Seele: "Ungeheure Berge umgaben
mich, Abgruende lagen vor mir, und Wetterbaeche stuerzten herunter, die
Fluesse stroemten unter mir, und Wald und Gebirg erklang. Und ich sah sie
wirken und schaffen in einander in den Tiefen der Erde, all die Kraefte
unergruendlich." Gleich Faust sieht er die wirkende Natur vor seiner
Seele liegen, ihre Kraefte sich ihm enthuellen[88]. Diese Stelle kann
also recht wohl dazu dienen, uns das zu ergaenzen, was auch Faust
erblickt. Fuer ihn verbindet sich damit die Mahnung, als Schueler des
goettlichen Lehrers in der Natur selbst die Schoepfung da zu betrachten,
wo sie sich am deutlichsten und herrlichsten in ihr offenbart. Auch hier
geht es also darauf hinaus, dass Faust zur Natur hingewiesen wird; das
zweite Mal noch bestimmter als das erste Mal. Sie ist nicht bloss dazu
da, dass sich der Mensch in ihrem Thau gesund bade sondern sie fordert
aus dem Munde des Weisen auf, bei ihr selbst zu suchen, was Faust
erstrebt: Auf, bade, Schueler, unverdrossen, die ird'sche Brust im
Morgenrot! Allein der Dichter muss ihn von der Hoehe dieser Erkenntnis
wieder herabfuehren. Faust beschaut das Zeichen, was er aber in ihm
erblickt, ist nur noch die Harmonie der wirkenden Kraefte des Alls, wie
sie sich in ihm vermittelst des Zeichens in schoener Verknuepfung
darstellt. Er will aber mehr; er will aus dem Urquell aller
Wirkungskraft und alles Lebens selbst schoepfen, um ihrer gottg
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