om Banne der Schulwissenschaft und der
Spekulation zu befreien und eine lebendige, fruchtbare Thaetigkeit an
ihre Stelle zu setzen; fuer ihn galt es einer allzugrossen Nachgiebigkeit
gegen die Eindruecke der Aussenwelt, einer allzu gesteigerten
Empfindungsfaehigkeit ein Gegengewicht zu schaffen. Er fand es in der
dichterischen Produktion, suchte es auch in der Thaetigkeit des bildenden
Kuenstlers. Zu einer Zeit, wo die Empfindsamkeit ueberwog, erkannte er
denn auch das Gegenmittel. Die Beruehrung mit der heroischen Staerke des
Altertums machte es ihm bewusst, was ihm fehle. Ueber Pindars Worten
[Griechisch: epikratein dynasthai] ging es ihm auf; und was Thaetiges
an ihm war, lebte auf[121].
Unter [Griechisch: epikratein] versteht er aber Meisterschaft,
Virtuositaet, d.h. also hoechste Thaetigkeit. Die ganze Jugendpoesie der
Frankfurter Jahre seit 1771 durchzieht dieser Gegensatz. Weisslingen ist
der erste Vertreter der krankhaften Empfindlichkeit; ihm gegenueber steht
Adelheid; sie ist nicht von Anfang an die Teufelin, die ihn verdirbt,
sondern sie vermeint zunaechst noch den titanischen Funken in ihm
erwecken zu koennen, ihn zu dem "activen" Manne zu machen, den sie in ihm
erwartete[122]. Und in der That scheint die lebendige Kraft, die von ihr
ausgeht, "die Atmosphaere von Leben, Mut, thaetigem Glueck," die um sie
ist[123], auf ihn zu wirken, wie das Zeichen des Erdgeistes auf Faust:
"Und nun gleich entfesselten Winden ueber das ruhende Meer! Du sollst an
den Felsen, Schiff! und von da in Abgrund! und wenn ich mir die Backen
drueber zersprengen sollte"[124]. Allein die Wirkung haelt bei ihm nicht
an; Adelheid aber, da sie seine Unfaehigkeit durchschaut, verlaesst und
verdirbt ihn. Dasselbe Verhaeltnis liegt zwischen Clavigo und Carlos vor,
nur dass der letztere nicht mehr der Feind, sondern der Freund des
Schwachen ist. Auf der hoechsten Hohe erscheint diese Krankheit im
Werther. Bei ihm wird durch seine wunderbare Empfind- und Denkensart,
der er sich ganz ueberliess, und die endlose Leidenschaft, alles, was
thaetige Kraft an ihm war, ausgeloescht[125]; und er, der sich nicht, wie
Weisslingen und Clavigo, in schwerer Schuld verstrickt hatte, faellt durch
eigene Hand.
Ganz im Sinne Fausts hatte der Dichter, da er im Mai 1772 gen Wetzlar
zog, zwar nicht dem Erdgeist, wohl aber der Gottheit zugesungen, von ihr
erfuellt:
Allgegenwaert'ge Liebe!
Durchgluehst mich,
Beutst dem Wetter die Stirn,
Gefahr
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