ensch sei
zunaechst auf das Leben dieser Erde angewiesen. In dieser fuer Faust in
ihren wichtigen Folgen noch dunklen, dem Dichter schon klareren
Empfindung liegt das tiefe Problem[160],--es ist das Problem der ganzen
Dichtung--dass sich der Mensch eben dadurch, dass er im vollsten und
hoechsten Sinne das Irdische erlebe, das Recht auf ein Fortleben auf
einer hoeheren Stufe, auf ein hoeheres Leben erwerbe. Dann braucht nur die
Gnade von oben die auf Erden im Leben begangene Schuld zu tilgen, und
gereinigt steigt er hinauf zu den Sphaeren der Liebe und reiner
Thaetigkeit. Hier wurzelt also der edle Realismus des Dichters in Leben
und Kunst, der immer reiner und schoener predigt: Gedenke zu leben, lass
das Leben, wenn es durch deinen Busen hindurchgegangen ist, wieder rein
und treu entstehen; es wird nie des hoeheren Sinnes entbehren, stets nach
dem Hoechsten weisen, zu ihm fuehren! Dieser tiefe Grundgedanke, der sich
durch seine ganze Dichtung zieht, wird in ihr aufs mannigfaltigste zum
Ausdruck gebracht; zum ersten Mal wohl am Schluss des schoenen Aufsatzes
von deutscher Baukunst (1772). Wenn der Kuenstler das irdische Leben in
Arbeit und Genuss, in Begehren und Leiden genossen hat und irdischer
Schoenheit satt, goettlicher aber wert geworden ist, dann erhebe er sich
zu ihr und mehr als Prometheus leit' er die Seligkeit der Goetter auf die
Erde[161]! "Trachtet ihr, dass ihr Lebenskenntnis erlanget, euch und eure
Brueder aufzubauen", ruft er in den biblischen Fragen aus[162]. Frei wie
Wolken, fuehlt, was Leben sei! Stehn auf seinen Fuessen, Der Erde
geniessen--verkuendet ganz in des Dichters Sinne Satyros[163], um jedoch
mit einem laecherlichen Mittel nach dem Ziele hinzuweisen. "Rasch ins
Leben hinein!" feuert er sich selbst an in der schoenen Allegorie an
Schwager Kronos[164] (gedichtet am 10. October 1774). "Weit hoch,
herrlich der Blick Rings ins Leben hinein! Vom Gebirg zum Gebirg
Schwebet der ewige Geist. Ewiges Lebens ahndevoll". Also auch hier
erscheint der Geist des Lebens. In diesem Leben, auf dieser Erde, muss
dem Menschen sein hoechstes Ziel, die Ausbildung des Reinmenschlichen,
wodurch er einer hoeheren Stufe wuerdig wird, zu erreichen moeglich sein.
Humanus scheidet erst, nachdem er ein Beispiel des Lebens gegeben und so
dafuer gesorgt hat, dass sein Geist sich in allen verkoerpert hat und
keines besonderen irdischen Gewandes mehr bedarf[165]. Das Beispiel des
Menschen lehre uns darum das Goettliche glauben[1
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