derer erschaute auch aus den Truemmern des Tempels den Genius des
Meisters:
Gluehend webst du
Ueber deinem Grabe,
Genius![104]
Den Genius des Vaterlandes fleht er um den kuenftigen jungen Dichter,
den er nach seinem Bilde gezeichnet.[105] Wie leicht konnte sich daher
sein Geisterglaube mit dem frueherer Zeiten verbinden und sich so die
Vorstellung eines Erdgeistes von neuem daraus entwickeln! Er wird ihm
nun zu einem Geist des Lebens in allen seinen Erscheinungen auf der
Erde, vom niedrigsten bis zum hoechsten, vom sich unbewussten bis zum
bewussten, vom leidenden bis zum im hoechsten Sinne thaetigen Leben;
zugleich ruht in ihm das Princip des Lebens, das abwechselnd schafft und
zerstoert, um so immer wieder neues Leben zu haben.
Dieser Wechsel zwischen Zerstoeren und Schaffen hatte Goethes Teilnahme
bei seiner Betrachtung der Natur von Jugend auf erregt. Uralte, die
Menschen zu allen Zeiten bewegende Fragen knuepfen sich daran an. Hat der
Mensch nur vor allem einen Blick fuer das zerstoerende, uebersieht er das
schaffende Princip, so leuchtet es ein, wie verhaengnisvoll ein solcher
einseitiger Standpunkt fuer die Auffassung und den Gang seines Lebens
werden muss. Die Weltanschauung, die die Vergaenglichkeit und Eitelkeit
alles Irdischen auf das staerkste betont, all der duestere, weltfeindliche
Pessimismus wurzelt hier. Auch der junge Goethe ist von dieser Seite des
Irdischen lebhaft beruehrt worden und hat zu ihr Stellung genommen; am
schoensten in dem Gedicht "Der Wandrer", das noch vor dem Wetzlarer
Aufenthalt im Fruehling 1772 entstanden ist. Zunaechst sieht der Wanderer
auf seinem Gange nur die traurigen Reste der Zerstoerung: Saeulenstuempfe,
erloschene Inschriften, Truemmer eines Tempels. So wenig schuetzt also die
Natur das Werk ihres Meisters; unempfindlich zertruemmert sie ihr
Heiligtum. Da wird der Blick des Klagenden vom Tode abgewendet und an
das Leben gemahnt. Die Bewohnerin dieser Truemmer gibt ihm ihren
bluehenden Knaben in den Arm,--ein herrliches Uebergangsmotiv!--der, ueber
den Resten der Vergangenheit geboren, einem neuen Leben entgegenwaechst.
Jetzt ist sein Auge geoeffnet; ringsum sieht er die bluehende und gruenende
Natur; die Schwalbe, die am Architrav ihr Nest gebaut, die Huette, die
der Mensch zwischen Truemmern erbaut, er geniesst ueber Graebern. Natur, du
ewig keimende, ruft er aus, schaffst jeden zum Genuss des Lebens![106]
Damit war also alle einseitige Naturbetrachtung v
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