leich
teilhaftig zu werden. So sehnte sich auch Werther, aus dem schaeumenden
Becher des Unendlichen jene schwellende Lebenswonne zu trinken, und nur
einen Augenblick in der eingeschraenkten Kraft seines Busens einen
Tropfen der Seligkeit des Wesens zu fuehlen, das alles in sich und durch
sich hervorbringt[89]. Zunaechst allerdings entzueckt Faust der Anblick
des kunstvollen Baus des Kosmos; er steht vor ihm mit demselben Gefuehl
wie vor einem harmonisch gebildeten Kunstwerk. So stand der junge Goethe
vor Erwins Meisterwerk: "Mit welcher unerwarteten Empfindung ueberraschte
mich der Anblick, als ich davor trat. Ein ganzer, grosser Eindruck fuellte
meine Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelnheiten
bestand, ich wohl schmecken und geniessen, keineswegs aber erkennen und
erklaeren konnte. Sie sagen, dass es also mit den Freuden des Himmels
sei, und wie oft bin ich zurueckgekehrt, diese himmlisch-irdische Freude
zu geniessen, den Riesengeist unsrer aeltern Brueder, in ihren Werken zu
umfassen.--Schwer ists dem Menschengeist, wenn seines Bruders Werk so
hoch erhaben ist, dass er nur beugen und anbeten muss. Wie oft hat die
Abenddaemmerung mein durch forschendes Schauen ermattetes Aug mit
freundlicher Ruhe geletzt, wenn durch sie die unzaehligen Teile zu ganzen
Massen schmolzen, und nun diese, einfach und gross, vor meiner Seele
standen, und meine Kraft sich wonnevoll entfaltete, zugleich zu geniessen
und zu erkennen. Da offenbarte sich mir in leisen Ahndungen, der Genius
des grossen Werkmeisters." Er weiht ihn in seine Geheimnisse ein.--"Wie
froh konnt ich ihm meine Arme entgegenstrecken, schauen die grossen,
harmonischen Massen, zu unzaehlig kleinen Teilen belebt; wie in Werken
der ewigen Natur, bis aufs geringste Zaeserchen, alles Gestalt, und alles
zweckend zum Ganzen"[90].
Allein der Genius des Weltalls offenbart sich Faust nicht so, wie er es
in seinem ungeduldigen Streben verlangt; es wird ihm nicht gegeben,
sich unmittelbar dem Goettlichen zu naehern. In prometheischem Unwillen
wendet er sich von ihm ab, schlaegt das Buch um[91] und erblickt das
Zeichen des Erdgeistes.
Die Erdgeistscene und der Schluss des ersten Monologs.
(V. 107-168 = 460-521.)
Auch beim Anblick des Zeichens des Erdgeistes aeussert sich zuerst die
Wirkung, die von ihm auf Faust ausgeht; aber sie ist anderer Art als die
war, die vom Makrokosmus auf ihn ueberging. Nachdem der Rausch des
Entzueckens vorueber ist, fuehlt er s
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