. Welch Schauspiel! ruft er
noch begeistert aus; aber mit diesem Worte wird ihm auf einmal bewusst,
woran er sich jetzt entzuecke[75]. Damit aber sinkt er nun voellig von der
Hoehe gesteigerter Empfindung herab. Die alten sehnsuechtigen Klagen
seiner Nichtbefriedigung ertoenen von neuem. Was er eben gesehen, ist nur
ein Schauspiel: er hat nicht an dem Bilde genug. Ihn duerstet nach mehr,
nach der lebendigen schaffenden Kraft, die alle diese Harmonien
hervorbringt; nach den Quellen, aus denen alles Leben quillt, den
Bruesten, aus denen auch Himmel und Erde ihre Lebensnahrung saugen.
Diesen muetterlichen Busen moechte er fassen[76]; nach ihm draengt sich
seine welke Brust hin; er weiss, er traenkt, und er sollte vergeblich
schmachten!
Dies maechtige Sehnen Fausts nach schoepferischer Kraft, das wieder aus
der inner eigensten Tiefe des Dichterherzens aufstroemt, fuehrt uns zu dem
Kuenstler Goethe zurueck. Die Kunstgedichte des Jahres 1774 geben uns ein
vollstaendigeres Bild jener Stimmung, als die Verse unserer Stelle, die
davon gleichsam ein gedraengter Auszug sind. Wie sehnsuechtig verlangt es
ihn dort nach dem Urquell der Natur, daraus er schoepfend
Himmel fuehl und Leben
In die Fingerspitzen hervor[77]!
Seinen Prometheus geleitete Minerva zu dem Quell alles Lebens. Wer fuehrt
ihn? Was frommt ihm die gluehende Natur an seinem Busen, was hilft ihm
das Gebildete der Kunst, wenn liebevolle Schoepfungskraft nicht seine
Seele fuellt und in den Fingerspitzen wieder bildend wird?[78]
O dass die innre Schoepfungskraft
Durch meinen Sinn erschoelle--[79]
fleht er; und Werther moechte einen Augenblick in der eingeschraenkten
Kraft seines Busens einen Tropfen der Seligkeit des Wesens fuehlen, das
alles in sich und durch sich hervorbringt[80]. Wo fass ich Dich,
unendliche Natur? ist der Grundgedanke, der all das kuenstlerische
Streben des Dichters durchzieht. Nicht nur auf Erkenntnis der Natur ist
es gerichtet; es ist nicht nur sehnsuechtige Liebe zu ihr, wie im
Ganymed:
Dass ich Dich fassen moecht'
In diesen Arm!
Ach, an Deinem Busen
Lieg ich, schmachte,--[81]
Ihr wird die Befriedigung gewaehrt, der Sehnende hinaufgetragen an den
Busen des allliebenden Vaters. Nicht dagegen wird sie dem kranken
Werther zu teil; denn sein Herz ist tot: er hat verloren, was seines
Lebens einzige Wonne war, die heilige belebende Kraft, mit der er Welten
um sich schuf; so steht er vor Gottes Angesicht w
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