raten!"
Helene war erschuettert durch die Verzweiflung des Knaben. Sie versuchte
ihn zu troesten, zog ihn in muetterlicher Zaertlichkeit an sich: "Der Vater
kommt morgen schon zurueck, der Offizier hat's auf Ehre versprochen.
Sieh, wenn er nicht nachgegeben haette, waeren wir alle umgebracht worden.
Er hat mitgehen muessen, er hat doch nicht anders gekonnt!"
"Aber der Vater darf doch die Deutschen nicht verraten," schluchzte das
Kind.
"Denke nicht mehr _daran_. Denke, dass wir jetzt alle grausam misshandelt
und getoetet wuerden. Gott Lob, dass der Vater uns davor behuetet hat."
Gebhard konnte sich nicht fassen, zornig stampfte er und rief: "Der
Vater darf doch kein Verraeter sein!"
Die Mutter sah den Knaben starr an: "Hast du kein Herz fuer den Vater,
fuer mich und fuer unsere Kleine? Wolltest du, wir waeren grausam
hingemetzelt, du und wir alle?"
Heftig antwortete Gebhard: "Ja, ja, viel lieber moechte ich das."
Der Mutter graute. Sie konnte das Kind nicht verstehen, und war im
tiefsten Herzen gekraenkt durch seine Antwort. Aber weiter mit ihm zu
reden war nicht moeglich; denn unter der Tuere erschien die Magd,
schreckensbleich mit verweinten Augen: "Der Knecht sagt, wir muessen
eilen, dass wir fortkommen, der Herr hat's ihm noch zugerufen. Unser
armer, armer Herr, sie haben ihn fortgefuehrt! Auf einem Russenpferd,
mitten unter den Feinden ganz allein! Und er hat sich noch so tapfer
umgeschaut, so todesmutig ist er davon geritten! Der arme Herr, was
werden sie mit ihm tun?"
Helene hatte auf den Lippen zu sagen: "Es geschieht ihm nichts, morgen
wird er uns nachkommen;" aber sie unterdrueckte die Worte. Die Leute
durften nicht wissen, dass der Herr sich bereit erklaert hatte, mit den
Feinden zu gehen. Schwer fiel ihr auf die Seele: Kein Deutscher durfte
das je erfahren. Es war ja Verrat, was ihr Mann beging. Ihr zuliebe tat
er's; nicht aus Angst ums eigene Leben, der tapfere, treue Mann! Wie
wollte sie ihm das danken ihr Leben lang!
Die Magd mahnte noch einmal zur Eile. "Was ist noch aufzuladen?" Hastig
griff Helene nach diesem und jenem, beladen eilte die Magd die Treppe
hinunter, rief Gebhard zur Hilfe; wie im Traum nahm er, was ihm
hingereicht wurde. Die Mutter aber suchte in Eile nach einem Blatt
Papier, sie musste ihm noch ein Wort schreiben, das sollte er finden,
wenn er in sein veroedetes Haus zurueckkaeme, mit einer schweren Last auf
dem Gewissen, einer Last, die er ihr zuliebe durchs ganze Lebe
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