einen Geschwistern ist er fremd geblieben und
er war auch gegen mich nicht mehr so zutraulich wie frueher. Erst hier
ist er wieder ganz mein lieber, praechtiger Bub. Mutter, lass ihn mir
nicht fremd werden!"
Helene blieb bis ueber die Weihnachtsferien und fuehrte selbst noch
Gebhard in die Schule ein. Sie sah, wie er jetzt dem Lehrer und den
Mitschuelern frei und offen gegenuebertrat, da er nichts mehr zu
verheimlichen hatte, und dass dem Kind warme Teilnahme entgegengebracht
wurde. Und als er am zweiten Tag in der Pause seinen Leo holte, um ihn
den Kameraden vorzustellen, da wusste sie, dass er heimisch wurde unter
diesen. Sie konnte ihn getrost verlassen. Sie selbst aber vermisste auf
der Heimfahrt ihren kleinen Reisekameraden und es war ihr, als entfernte
sie sich noch mehr von ihrem Mann, indem sie seinen Sohn und seine
Mutter verliess. Aber daneben wurde doch die Sehnsucht nach dem
Toechterlein immer lebhafter. Es schlief, als sie heim kam. Beim
Erwachen sah es befremdet nach der Mutter; fuer das kleine Menschenkind
war die Zeit lang genug gewesen, um sie zu vergessen; aber die
Erinnerung erwachte bald wieder. Es war ein lieblicher Anblick, wie die
junge Mutter mit Kosen und Schmeicheln das Fremdsein besiegte und
endlich von ihrem kleinen Ebenbild durch strahlendes Laecheln und
zaertliche Hingabe wieder anerkannt wurde. Die Geschwister hatten es mit
angesehen. "Wie erfrischt du aussiehst!" sagte der Bruder, "du hast dich
so schwer zu der Reise entschlossen, aber sie hat dir sichtlich gut
getan."
"Ja, ja. Das Schwerste, was mich am meisten bedrueckt hatte, das hat mir
die Mutter abgenommen. Ich habe ihr alles, alles anvertraut und das war
gut, denn es ist ganz anders, als wir uns gedacht hatten: Nur um die
Russen vom Haus wegzubringen und um sie falsch zu fuehren, ist mein Mann
mit ihnen gegangen. Er hat ihnen nichts verraten!"
"Woher habt ihr Nachricht bekommen? Erzaehle doch!" riefen die
Geschwister.
"Nachricht haben wir nicht, aber die Mutter weiss es dennoch, so gewiss
wie wenn sie Nachricht haette. Sie kennt ihn und weiss, dass es ihm ganz
unmoeglich ist, die Deutschen zu verraten."
"Ach so!" sagte der Bruder gedehnt. Enttaeuschung und Unglaube lag in
seinem Ton. Aber Helene sprach eifrig weiter: "Und ich bin auch fest
ueberzeugt, dass sie recht hat. Sie hat mir erzaehlt, wie er schon als Bub
so tapfer und treu war, aehnlich wie ja auch Gebhard ist, durch und
durch zuverlaessig. Ich haette es ja selb
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