chenthum. Durch den ersten Vorgang wurden die Germanengoettinnen
kriegerisch umgewandelt, militarisirt, durch den zweiten aber vollends
satanisirt, zwei Umgestaltungen des Glaubens und Mythus, von denen unser
Buch in allen Abschnitten sittengeschichtliche Zeugnisse bietet. Und
nicht bloss die Richtschnur des oeffentlichen Glaubens, sondern ebenso
die des Privatlebens wurde dabei mit in die tiefste Erniedrigung
herabgezogen. Zwar blieben echtmenschliche Tugenden der Heidin ein
allerdings noethigender Grund, sie spaeter einmal zu Christentugenden zu
subtilisiren und eine Walburg, eine Verena oder Gertrud zu
Kirchenheiligen zu erheben; allein diese Vereinbarung war und blieb eine
erzwungene, innerlich unwahre, und verfaelschte den sittlichen Kern des
Mythus bis zu dem Grade, dass es den irrigen Anschein gewann, als ob
hier die Legende aus dem Christencultus entsprungen waere, anstatt dass
umgekehrt dieser bloss entlehnend dem Mythus nachfolgte und ihn
legendarisch einkleidete. Ihm selbst aber durfte ein ehefeindlicher
Klerus, der dem Coelibat den uebertriebnen Werth einer vollkommnen Tugend
zuschrieb und nur ein einziges Weib als solches anerkannte, die
Himmelsherrin, auf das ganze uebrige Geschlecht aber die Ursache des
Suendenfalles zu waelzen fortfuhr, einem solchen, die Frauenwuerde
verkuendenden Mythus durfte der Moench kein Recht belassen, sondern musste
ihn so weit und so unablaessig herabwuerdigen, dass die Folgen davon bis
heute den Aberglauben aufzureizen vermoegen. Wenn daher zwar auf einer
Seite die Jungfrau, welche schmerzenstillendes Oel unter Segensspruechen
bereitete, als oelschwitzende Heilige kanonisirt worden ist, so ist sie
auf der andern Seite zugleich zur Hexenmutter satanisirt: Zaubertraenke
brauend, Seuchen und Misswachs herabbeschwoerend, Besen salbend, das
aller Zeugung feindselige Kebsweib des Teufels in der Walburgisnacht.
Dorten war sie die ehestiftende Liebesgoettin gewesen, hier eine Frau
Mutter des Frauenhauses (S. 82. 154). Dorten trank der Mensch auf ihren
Namen die Minne, sie selbst reichte dem in den Himmel eingehenden Helden
den Unsterblichkeitstrank; hier wird sie zwar auch eine Himmlische, aber
nur weil sie vorher als "Wirthskellnerin" tugendhaft geblieben war (S.
149). So urspruenglich schon steckt in dem Legenden erzaehlenden Moench
ein Blumauer, der die Aeneide travestirt. Ihm haust da ein spukender
Waldteufel, wo in der fraenkischen Waldeinsamkeit des Hahnenkamms und
Spessarts die H
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