geschlichene Knecht hebt den Deckel vom Krueglein, das sie
traegt. Siehe, da findet sich statt des Weines nichts als Lauge und statt
des Brodes ein Kamm, beides zur Reinigung der Kranken bestimmt. Fuer den
Rest ihrer Tage bezog sie eine Klause neben jenem Siechenhause und
setzte die Werke der Barmherzigkeit fort. Ueber ihrer Grabstaette ward
erst eine kleine Kapelle gebaut, nachmals wurden ihre Gebeine erhoben
und in die Zurzacher Stiftskirche versetzt. An der Hand der
Thebaer-Legende, die Anfangs des vierten Jahrhunderts spielt, wird das
Jahr von Verenas Ankunft zu Zurzach auf 323 und ihr Tod auf 344 mit
naiver Zweifellosigkeit angesetzt.
Die Thebaische Legende ist eine romanisch-katholische Sage ueber die
geschichtliche Thatsache, dass und wie die arianischen Burgundionen,
denen im J. 443 die Landschaft Sapaudia, d.h. die Gegend von Lyon, Genf
und Hochsavoyen, von Reichs wegen eingeraeumt worden war, sich der
dortigen Roemerchristen durch militaerische Massen-Niedermetzelungen zu
entledigen versucht hatten. Die nachmalige Verquickung dieser Legende
mit dem hebraeischen und dem antiken Sagenkreise begann der
romanisch-katholische Klerus und setzte der deutsche in
roemisch-kirchlichem Interesse fort. Man lokalisirte sie daher in allen
denjenigen Staedten und Stiften Deutschlands besonders, in denen zuerst
das politische und dann das kirchliche Roemerthum das herrschende gewesen
war. Daher finden sich die Altaere, Reliquien und Historien der Thebaeer
schon von Alters her vor in Bonn, Koeln, Trier, Xanten, Mainz, Augsburg,
Regensburg, Sitten, Genf, Solothurn. Auch das kleine Zurzach war eine
solche Legionenstadt der Roemer gewesen. Seit dem Jahre 1000 verfasst der
Klerus dieser Staedte die sg. Weltchroniken, als deren Hauptwerk die
deutsche "Kaiserchronik" gilt, alle von den Thebaeern entweder anhebend
oder zu deren Preise endigend. Dass auch die Schweiz in ihren Stiften
Tendenzchroniken dieser Art im Mittelalter besass, darueber sind
Nachweise gegeben in den Mittheill. des St. Gall. geschichtsforsch.
Vereines 1862, Heft 1. Von der hl. Verena ist jedoch in diesen Werken
noch nirgend die Rede; nicht desshalb, weil jene urspruenglich nicht zu
den Thebaeern gehoerte oder zu schwierig mit diesen zu vereinbaren gewesen
waere, denn was haette die phantastische Kuehnheit dieser gelehrten Moenche
nicht mit einander verschwistert! sondern desshalb, weil Verena nur auf
alemannischem Boden ihre Giltigkeit gehabt hatte, hier als Gauh
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