rzeste Tag des Jahres. Um dieselbe
Tageszeit, wo im Hochsommer die Sonne schon seit fuenf Stunden am Himmel
steht, sass man heute noch bei der Lampe am Fruehstueckstisch, und als
diese endlich ausgeblasen wurde, war es noch trueb und daemmerig in den
Haeusern. Allmaehlich aber hellte es sich auf und die Sonne, wenn sie
gleich tief unten am Horizont stand, sandte doch ihre schraegen Strahlen
den Menschenkindern, die heute so besonders geschaeftig durcheinander
wimmelten. Es war ja der letzte Samstag vor Weihnachten, zugleich der
Thomastag, ein Feiertag fuer die Schuljugend. Jedermann wollte die
wenigen hellen Stunden benuetzen, um Einkaeufe zu machen. Wieviel Gaense
und Hasen wurden da als Festbraten heimgeholt und wieviel Christbaeume!
Auf den Plaetzen der Stadt standen sie ausgestellt, die Fichten und
Tannen, von den kleinsten bis zu den grossen stattlichen, die bestimmt
waren, Kirchen oder Saele zu beleuchten.
Mitten zwischen diesen Baeumen, von ihrem weihnaechtlichen Duft und
Anblick ganz hingenommen und im Anschauen versunken, stand unser kleiner
Frieder. Er hatte fuer den Vater etwas in der Musikalienhandlung besorgt,
kam nun heimwaerts ueber den Christbaummarkt und konnte sich nicht
trennen. Nun stand er vor einem Baeumchen, nicht groesser als er selbst,
saftig gruen und buschig. Sie mochten vielleicht gleich alt sein, dieser
Bub und dies Baeumchen und sahen beide so rundlich und kindlich aus. Sie
standen da, vom selben Sonnenstrahl beleuchtet und wie wenn sie zusammen
gehoerten, so dicht hielt sich Frieder zum Baum.
"Du! dich meine ich, hoerst du denn gar nichts; _so_ wirst du nicht viel
verdienen!" sagte ploetzlich eine rauhe Stimme, und eine schwere Hand
legte sich von hinten auf seine Schulter. Frieder erwachte wie aus einem
Traum, wandte sich und sah sich zwei Frauen gegenueber. Die ihn angerufen
hatte, war eine grosse, derbe Person, eine Verkaeuferin. Die andere eine
Dame mit Pelz und Schleier. "Pack an, Kleiner, du sollst der Dame den
Baum heimtragen, du weisst doch die Luisenstrasse?" sagte die Frau und
legte ihm den Baum ueber die Schulter.
"Ist der Junge nicht zu klein, um den Baum so weit zu tragen?" fragte
die Dame.
"O bewahre," meinte die Haendlerin, "der hat schon ganz andere Baeume
geschleppt, sagen Sie ihm nur die Adresse genau, wenn Sie nicht mit ihm
heim gehen." "Luisenstrasse 43 zu Frau Dr. Heller," sagte die Dame.
"Sieh, auf diesem Papier ist es auch aufgeschrieben. Halte dich nur
nicht
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