loss sie selbst die Tuere. Aber sie verlor nicht den
guten Glauben an ihre Mietsleute. Sie hatte ihnen ja wohl angemerkt, dass
heute etwas besonderes los war.
Im Zimmer fragte Herr Hartwig: "Nun, wer hat denn zugemacht?" Etwas
kleinlaut erwiderte sie: "Zugemacht habe ich."
Droben herrschte nach ueberstandener Angst grosse Freude; auch Frau
Pfaeffling war es wieder leicht ums Herz, gluecklich und dankbar sass die
ganze Familie am Essen. Aber doch--zwischen Suppe und Fleisch--sagte die
Mutter: "Marianne, warum habt ihr den Brief nicht in den Schalter
geworfen?"
"Vergessen!"
"So geht jetzt und besorgt ihn."
"Aber doch _nach_ dem Essen?" fragte fast einstimmig der Kinderchor.
"Nein, nein, eben zwischen hinein, damit ihr es merkt. Ich kann euch
nicht helfen, ich haette gar kein gutes Gewissen, wenn ich es nicht
verlangte." Da widersprach niemand mehr, die Mutter konnte man sich
nicht mit schlechtem Gewissen vorstellen. Die Maedchen gingen mit dem
Brief, Herr Pfaeffling sah seine Frau verwundert an.
Sie ging nach Tisch mit ihm in sein Zimmer. Da sagte sie ihm, wie schwer
es ihr den ganzen Vormittag zumute gewesen sei, und es kamen ihr fast
jetzt noch die Traenen. Sie sprachen lange miteinander, dann kehrte Herr
Pfaeffling in das Wohnzimmer zurueck, wo die Grossen noch beisammen waren.
"Hoert, ich moechte euch dreierlei sagen: Erstens: sorgt jetzt, dass vor
Weihnachten nichts mehr vorkommt, gar nichts mehr, denn bis man weiss,
wie die Sachen hinausgehen, sind sie doch recht unangenehm, besonders
fuer die Mutter. Zweitens: Sagt dem Baumann: er solle sich bei Herrn
Sekretaer Flossmann entschuldigen, sonst werde es schlimm fuer ihn
ausgehen. Drittens: Walburg soll eine Tasse Kaffee fuer die Mutter
machen, es wird ihr gut tun, oder zwei Tassen."
Einer von Herrn Pfaefflings guten Ratschlaegen konnte nicht ausgefuehrt
werden, denn Wilhelm Baumann wurde noch an diesem Nachmittag aus der
Schule weg und auf die Polizei geholt und war von da an aus dem
Gymnasium ausgewiesen.
Am Abend ueberbrachte ein Dienstmaedchen einen schoenen Blumenstock--eine
Musikschuelerin liess Frau Pfaeffling gratulieren.
"Ich werde morgen hinkommen und mich bedanken," liess Herr Pfaeffling
sagen.
Ja, es gibt allerlei Freuden, zu denen man gratulieren kann! Warum nicht
auch, wenn ein unschuldig Verklagter freigesprochen wird? Oder war etwas
anderes gemeint?
6. Kapitel
Am kuerzesten Tag.
Es war der 21. Dezember, der kue
|