frei! Nicht mehr
seit jener Stunde! Was auch du, was auch der Vater gesagt, tief, tief in
meinem Herzen spricht eine Stimme: "der Himmel nimmt nicht totes Gold
statt einer lebendigen Seele. Das Schicksal laesst sich nicht abkaufen, was
einmal ihm verwirkt war." Die finstre, ernste, drohende Macht jenes
heiligen Glaubens, der meiner Seele fremd gewesen und geblieben ist, die
in diesem feierlichen Raume wohnt, hat ein Recht, ein zwingend
Herrschaftsrecht ueber meine Seele und laesst nicht davon. Ich bin ihr
verfallen. Ihr gehoer' ich an, nicht wollend, widerstrebend, aber sicher
doch. Der Welt der Entsagung, des Schmerzes, der Dornen: nicht jener
goldnen Welt meines Homers, der Blumen und des Sonnenscheins, zu der noch
immer von innen meine ganze Seele neigt. So oft ich's auch vergessen will,
immer ziehen wieder die Wolkenschatten ueber meine Seele. Sie drohen im
Hintergrunde aller Freuden: wie dort das finstre Martyrbild hinter den
roten Rosen."
"Valeria, du hassest, scheint's, was du verehren solltest."
"Ich hasse es nicht. Ich fuerchte es. Wohl war eine Zeit," - und ein Strahl
der Freude flog ueber ihre Zuege - "da glaubte ich den dunkeln Schatten fuer
immer besiegt von einem hellen Gott des Lichts. Als ich zuerst des jungen
Goten lachend Auge sah und seine sonnige Seele mich umschloss, als soviel
Jugend, Schoenheit, Liebe und Glueck mich umfluteten, da waehnte ich wohl,
fuer immer sei jener Bann geloest. Aber es waehrte nicht lang.
Der finstre Gott des Schmerzes pochte vernehmlich an die goldne Wand, die
ich zwischen ihn und mich gebaut und immer naeher drangen seine Schlaege.
Der Krieg bricht aus, mein teurer Vater faellt und nimmt einen
verhaengnisvollen Eid des Geliebten mit sich ins Grab. In Schutt versinkt
das Haus meiner Ahnen und ich muss fluechten aus meiner Vaterstadt. Sie
faellt dem Feinde zu. Nur das Opfer eines koestlichen Lebens rettet mir den
Geliebten. Die Woge des Krieges verschlaegt ihn fern von mir.
Und wie ich erwache aus der Betaeubung dieses Streichs, - find' ich mich
hier, in diesem grossen Grabe, dem Ort meiner Bestimmung. Ach, du wirst
sehen, der Himmel begnuegt sich nicht mit dem leeren Grab. Er fordert auch
die Leiche, die hinein gehoert."
"Valeria! du solltest Kassandra heissen."
"Ja, denn Kassandra sah die Wahrheit, ihre Gesichte trafen ein!"
"Du weisst, wir erkennen einer Seele den Preis zu, die der Erde vergisst
ueber dem Himmel. Aber Gott will erzwungne Opfer nicht. Und so
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