dass die Gesippen und Blutraecher der drei
Herzoge ihre Pflicht vollauf erfuellen wuerden. In solchen Gedanken schritt
sie durch die oeden Hallen und Gaenge des Palastes, diesmal, wie sie
glaubte, unbelauscht, hinunter zu der Ruhestaette ihres Sohnes, sich in den
Vorsaetzen der Busse und Suehne an ihrem Volk zu befestigen.
Als sie nach geraumer Zeit aus der Gruft wieder emporstieg und in einen
dunkeln Gewoelbgang einlenkte, huschte ein Mann in Sklaventracht aus einer
Nische hervor - sie glaubte sein Gesicht schon oft gesehen zu haben -
drueckte ihr eine kleine Wachstafel in die Hand und war seitab
verschwunden.
Sie erkannte sofort - die Handschrift Cassiodors -.
Und sie erriet nun auch den geheimnisvollen Ueberbringer: es war Dolios,
der Briefsklave ihres treuen Ministers. Rasch die Tafel in ihrem Gewande
bergend eilte sie in ihr Gemach. Dort las sie: "In Schmerz, nicht in Zorn,
schied ich von dir. Ich will nicht, dass du unbussfertig abgerufen werdest
und deine unsterbliche Seele verloren gehe. Flieh aus diesem Palast, aus
dieser Stadt: dein Leben ist keine Stunde mehr sicher. Du kennst
Gothelindis und ihren Hass. Traue niemand als meinem Schreiber und finde
dich um Sonnenuntergang bei dem Venustempel im Garten ein. Dort wird dich
meine Saenfte erwarten und in Sicherheit bringen, nach meiner Villa im
Bolsener See. Folge und vertraue."
Geruehrt liess Amalaswintha den Brief sinken: der vielgetreue Cassiodor! Er
hatte sie doch nicht ganz verlassen. Er bangte und sorgte noch immer fuer
das Leben der Freundin. Und jene reizende Villa auf der einsamen Insel im
blauen Bolsener See! Dort hatte sie, vor vielen, vielen Jahren, als Gast
Cassiodors, in voller Bluete der Jugendschoenheit, Hochzeit gehalten mit
Eutharich, dem edeln Amalungen, und, von allem Schimmer der Macht und
Ehren umflossen, ihrer Jugend stolzeste Tage gefeiert.
Ihr sonst so hartes, aber jetzt vom Unglueck erweichtes Gemuet beschlich
maechtige Sehnsucht, die Staette ihrer schoensten Freuden wiederzusehen.
Schon dies Eine Gefuehl trieb sie maechtig an, der Mahnung Cassiodors zu
folgen: noch mehr die Furcht, - nicht fuer ihr Leben, denn sie wollte
sterben - die Raschheit ihrer Feinde moechte ihr unmoeglich machen, das Volk
zu warnen und das Reich zu retten. Endlich ueberlegte sie, dass der Weg nach
Regeta bei Rom, wo in Baelde die grosse Volksversammlung, wie alljaehrlich im
Herbst, statthaben sollte, sie am Bolsener See vorueberfuehrte. Also war es
nur
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