Fuenftes Kapitel.
Die Fuerstin wiegte sich in Gefuehlen des Dankes, der Freiheit, der
Sicherheit. Sie baute schoene Entwuerfe der Suehne.
Schon sah sie ihr Volk durch ihre warnende Stimme gerettet vor Byzanz, vor
dem Verrat des eigenen Koenigs: schon hoerte sie den begeisterten Ruf des
tapferen Heeres, der den Feinden Verderben, ihr aber Verzeihung
verkuendete. In solchen Traeumen verflogen ihr die Stunden, die Tage und
Naechte. Unausgesetzt eilte der Zug vorwaerts: drei-, viermal des Tages
wurden die Pferde des Wagens und der Reiter gewechselt, so dass sie Meile
um Meile wie im Fluge zuruecklegten.
Wachsam huetete Dolios die ihm anvertraute Fuerstin: mit gezogenem Schwert
schuetzte er den Zugang zum Wagen, waehrend seine Begleiter Speisen und Wein
aus den Stationen holten. Jene gefluegelte Eile und diese treue Wachsamkeit
benahm Amalaswinthen eine Besorgnis, deren sie sich eine Weile nicht hatte
erwehren koennen: ihr war, sie wuerden verfolgt.
Zweimal, in Perusia und in Clusium, glaubte sie, wie der Wagen hielt,
dicht hinter sich Raedergerassel zu hoeren und den Hufschlag eilender Rosse:
ja in Clusium meinte sie, aus dem niedergelassenen Gitterladen
zurueckspaehend, eine zweite Carruca, ebenfalls von Reitern begleitet, in
das Thor der Stadt einbiegen zu sehen.
Aber als sie Dolios davon sprach, jagte der spornstreichs nach dem Thore
zurueck und kam sogleich mit der Meldung wieder, dass nichts wahrzunehmen
sei; auch hatte sie von da ab nichts mehr bemerkt: und die rasende Eile,
mit der sie sich dem ersehnten Eiland naeherte, liess sie hoffen, dass ihre
Feinde, selbst wenn sie ihre Flucht entdeckt und eine Strecke weit
verfolgt haben sollten, alsbald ermuedet zurueckgeblieben seien.
Da verduesterte ein Unfall, unbedeutend an sich, aber unheilkuendend durch
seine begleitenden Umstaende, ploetzlich die hellere Stimmung der
fluechtenden Fuerstin.
Es war hinter der kleinen Stadt Martula.
Oede baumlose Heide dehnte sich unabsehbar nach jeder Richtung: nur Schilf
und hohe Sumpfgewaechse ragten aus den feuchten Niederungen zu beiden
Seiten der roemischen Hochstrasse und nickten und fluesterten gespenstisch im
Nachtwind. Die Strasse war hin und wieder mit niedern, von Reben
ueberflochtenen Mauern eingefasst und, nach altroemischer Sitte, mit
Grabmonumenten, die aber oft traurig zerfallen waren und mit ihren auf dem
Wege zerstreuten Steintruemmern den Pferden das Fortkommen erschw
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