d
und noch naeher verbinden sollte, den Dichter in der Wahl des Namens
bestimmte: so ist auch bloss der Begriff des Charakters, den wir mit den
Namen Regulus, Cato, Brutus zu verbinden gewohnt sind, die Ursache, warum
der tragische Dichter seinen Personen diese Namen erteilet. Er fuehrt
einen Regulus, einen Brutus auf, nicht um uns mit den wirklichen
Begegnissen dieser Maenner bekanntzumachen, nicht um das Gedaechtnis
derselben zu erneuern: sondern um uns mit solchen Begegnissen zu
unterhalten, die Maennern von ihrem Charakter ueberhaupt begegnen koennen
und muessen. Nun ist zwar wahr, dass wir diesen ihren Charakter aus ihren
wirklichen Begegnissen abstrahieret haben: es folgt aber daraus nicht,
dass uns auch ihr Charakter wieder auf ihre Begegnisse zurueckfuehren muesse;
er kann uns nicht selten weit kuerzer, weit natuerlicher auf ganz andere
bringen, mit welchen jene wirkliche weiter nichts gemein haben, als dass
sie mit ihnen aus einer Quelle, aber auf unzuverfolgenden Umwegen und
ueber Erdstriche hergeflossen sind, welche ihre Lauterheit verdorben
haben. In diesem Falle wird der Poet jene erfundene den wirklichen
schlechterdings vorziehen, aber den Personen noch immer die wahren Namen
lassen. Und zwar aus einer doppelten Ursache: einmal, weil wir schon
gewohnt sind, bei diesen Namen einen Charakter zu denken, wie er ihn in
seiner Allgemeinheit zeiget; zweitens, weil wirklichen Namen auch
wirkliche Begebenheiten anzuhaengen scheinen und alles, was einmal
geschehen, glaubwuerdiger ist, als was nicht geschehen. Die erste dieser
Ursachen fliesst aus der Verbindung der Aristotelischen Begriffe
ueberhaupt; sie liegt zum Grunde, und Aristoteles hatte nicht noetig, sich
umstaendlicher bei ihr zu verweilen; wohl aber bei der zweiten, als einer
von anderwaerts noch dazukommenden Ursache. Doch diese liegt itzt ausser
meinem Wege, und die Ausleger insgesamt haben sie weniger
missverstanden als jene.
Nun also auf die Behauptung des Diderot zurueckzukommen. Wenn ich die
Lehre des Aristoteles richtig erklaert zu haben glauben darf: so darf ich
auch glauben, durch meine Erklaerung bewiesen zu haben, dass die Sache
selbst unmoeglich anders sein kann, als sie Aristoteles lehret. Die
Charaktere der Tragoedie muessen ebenso allgemein sein, als die Charaktere
der Komoedie. Der Unterschied, den Diderot behauptet, ist falsch: oder
Diderot muss unter der Allgemeinheit eines Charakters ganz etwas anders
verstehen, als Aristoteles darunter
|