ie partikulaer. Der Geizige des Moliere
ist nicht so eigentlich das Gemaelde eines geizigen Mannes, als des Geizes
selbst. Racines Nero hingegen ist nicht das Gemaelde der Grausamkeit,
sondern nur eines grausamen Mannes."
Hurd scheinet so zu schliessen: wenn die Tragoedie eine wahre Begebenheit
erfodert, so muessen auch ihre Charaktere wahr, das ist, so beschaffen
sein, wie sie wirklich in den Individuis existieren; wenn hingegen die
Komoedie sich mit erdichteten Begebenheiten begnuegen kann, wenn ihr
wahrscheinliche Begebenheiten, in welchen sich die Charaktere nach allem
ihrem Umfange zeigen koennen, lieber sind, als wahre, die ihnen einen so
weiten Spielraum nicht erlauben, so duerfen und muessen auch ihre
Charaktere selbst allgemeiner sein, als sie in der Natur existieren;
angesehen dem Allgemeinen selbst in unserer Einbildungskraft eine Art von
Existenz zukoemmt, die sich gegen die wirkliche Existenz des Einzeln eben
wie das Wahrscheinliche zu dem Wahren verhaelt.
Ich will itzt nicht untersuchen, ob diese Art zu schliessen nicht ein
blosser Zirkel ist: ich will die Schlussfolge bloss annehmen, so wie sie da
liegt und wie sie der Lehre des Aristoteles schnurstracks zu
widersprechen scheint. Doch, wie gesagt, sie scheint es bloss, welches aus
der weitern Erklaerung des Hurd erhellet.
"Es wird aber", faehrt er fort, "hier dienlich sein, einer doppelten
Verstossung vorzubauen, welche der eben angefuehrte Grundsatz zu
beguenstigen scheinen koennte.
Die erste betrifft die Tragoedie, von der ich gesagt habe, dass sie
partikulaere Charaktere zeige. Ich meine, ihre Charaktere sind
partikulaerer, als die Charaktere der Komoedie. Das ist: die Absicht der
Tragoedie verlangt es nicht und erlaubt es nicht, dass der Dichter von den
charakteristischen Umstaenden, durch welche sich die Sitten schildern, so
viele zusammenzieht, als die Komoedie. Denn in jener wird von dem
Charakter nicht mehr gezeigt, als soviel der Verlauf der Handlung
unumgaenglich erfodert. In dieser hingegen werden alle Zuege, durch die er
sich zu unterscheiden pflegt, mit Fleiss aufgesucht und angebracht.
Es ist fast wie mit dem Portraetmalen. Wenn ein grosser Meister ein
einzelnes Gesicht abmalen soll, so gibt er ihm alle die Lineamente, die
er in ihm findet, und macht es Gesichtern von der naemlichen Art nur so
weit aehnlich, als es ohne Verletzung des allergeringsten eigentuemlichen
Zuges geschehen kann. Soll ebenderselbe Kuenstler hingegen einen Ko
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