ade zu
jenem allgemeinen Begriffe nicht; sie stehet dem Individuo zu, aber nicht
dem Geschlechte; und der Dichter, der sie seinen Personen beilegt,
schildert gerade umgekehrt mehr in der Manier des Euripides als des
Sophokles. Die weitere Ausfuehrung hiervon verdienet mehr als eine Note.
----Fussnote
Fuenfundneunzigstes Stueck
Den 29. Maerz 1768
"Die Geschichte seiner Elektra ist ganz bekannt. Der Dichter hatte in dem
Charakter dieser Prinzessin ein tugendhaftes, aber mit Stolz und Groll
erfuelltes Frauenzimmer zu schildern, welches durch die Haerte, mit der man
sich gegen sie selbst betrug, erbittert war und durch noch weit staerkere
Bewegungsgruende angetrieben ward, den Tod eines Vaters zu raechen. Eine
solche heftige Gemuetsverfassung, kann der Philosoph in seinem Winkel wohl
schliessen, muss immer sehr bereit sein, sich zu aeussern. Elektra, kann er
wohl einsehen, muss, bei der geringsten schicklichen Gelegenheit, ihren
Groll an den Tag legen, und die Ausfuehrung ihres Vorhabens beschleunigen
zu koennen wuenschen. Aber zu welcher Hoehe dieser Groll steigen darf? d.I.
wie stark Elektra ihre Rachsucht ausdruecken darf, ohne dass ein Mann, der
mit dem menschlichen Geschlechte und mit den Wirkungen der Leidenschaften
im ganzen bekannt ist, dabei ausrufen kann: Das ist unwahrscheinlich?
Dieses auszumachen, wird die abstrakte Theorie von wenig Nutzen sein.
Sogar eine nur maessige Bekanntschaft mit dem wirklichen Leben ist hier
nicht hinlaenglich, uns zu leiten. Man kann eine Menge Individua bemerkt
haben, welche den Poeten, der den Ausdruck eines solchen Grolles bis auf
das Aeusserste getrieben haette, zu rechtfertigen scheinen. Selbst die
Geschichte duerfte vielleicht Exempel an die Hand geben, wo eine
tugendhafte Erbitterung auch wohl noch weiter getrieben worden, als es
der Dichter hier vorgestellet. Welches sind denn nun also die
eigentlichen Grenzen derselben, und wodurch sind sie zu bestimmen? Einzig
und allein durch Bemerkung so vieler einzeln Faelle als moeglich; einzig
und allein vermittelst der ausgebreitetsten Kenntnis, wieviel eine solche
Erbitterung ueber dergleichen Charaktere unter dergleichen Umstaenden im
wirklichen Leben gewoehnlicherweise vermag. So verschieden diese Kenntnis
in Ansehung ihres Umfanges ist, so verschieden wird denn auch die Art der
Vorstellung sein. Und nun wollen wir sehen, wie der vorhabende Charakter
von dem Euripides wirklich behandelt worden.
In der schoenen Szene, w
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