ise dadurch beleidiget
findet. Gelobt wird er sich nie genug, getadelt aber allezeit viel zuviel
glauben: ja oefters wird er gar nicht einmal wissen, ob man ihn tadeln
oder loben wollen. Ueberhaupt hat man die Anmerkung schon laengst gemacht,
dass die Empfindlichkeit der Kuenstler, in Ansehung der Kritik, in eben dem
Verhaeltnisse steigt, in welchem die Gewissheit und Deutlichkeit und Menge
der Grundsaetze ihrer Kuenste abnimmt.--So viel zu meiner, und selbst zu
deren Entschuldigung, ohne die ich mich nicht zu entschuldigen haette.
Aber die erstere Haelfte meines Versprechens? Bei dieser ist freilich das
Hier zur Zeit noch nicht sehr in Betrachtung gekommen,--und wie haette es
auch koennen? Die Schranken sind noch kaum geoeffnet, und man wollte die
Wettlaeufer lieber schon bei dem Ziele sehen; bei einem Ziele, das ihnen
alle Augenblicke immer weiter und weiter hinausgesteckt wird? Wenn das
Publikum fragt, was ist denn nun geschehen? und mit einem hoehnischen
Nichts sich selbst antwortet: so frage ich wiederum: und was hat denn das
Publikum getan, damit etwas geschehen koennte? Auch nichts; ja noch etwas
Schlimmers, als nichts. Nicht genug, dass es das Werk nicht allein nicht
befoerdert: es hat ihm nicht einmal seinen natuerlichen Lauf gelassen.
--Ueber den gutherzigen Einfall, den Deutschen ein Nationaltheater zu
verschaffen, da wir Deutsche noch keine Nation sind! Ich rede nicht von
der politischen Verfassung, sondern bloss von dem sittlichen Charakter.
Fast sollte man sagen, dieser sei: keinen eigenen haben zu wollen. Wir
sind noch immer die geschwornen Nachahmer alles Auslaendischen, besonders
noch immer die untertaenigen Bewunderer der nie genug bewunderten
Franzosen; alles was uns von jenseit dem Rheine koemmt, ist schoen,
reizend, allerliebst, goettlich; lieber verleugnen wir Gesicht und Gehoer,
als dass wir es anders finden sollten; lieber wollen wir Plumpheit fuer
Ungezwungenheit, Frechheit fuer Grazie, Grimasse fuer Ausdruck, ein
Geklingle von Reimen fuer Poesie, Geheule fuer Musik uns einreden lassen,
als im geringsten an der Superioritaet zweifeln, welche dieses
liebenswuerdige Volk, dieses erste Volk in der Welt, wie es sich selbst
sehr bescheiden zu nennen pflegt, in allem, was gut und schoen und erhaben
und anstaendig ist, von dem gerechten Schicksale zu seinem Anteile
erhalten hat.--
Doch dieser Locus communis ist so abgedroschen, und die naehere Anwendung
desselben koennte leicht so bitter werden, dass
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