htige Verbindung allein ihr Kraft und Leben
erteilen koennte. Diese Lichter und Schatten sind die Vermischung
verschiedener Leidenschaften, welche mit der vornehmsten oder
herrschenden Leidenschaft zusammen den menschlichen Charakter ausmachen;
und diese Vermischung muss sich in jedem dramatischen Gemaelde von Sitten
finden, weil es zugestanden ist, dass das Drama vornehmlich das wirkliche
Leben abbilden soll. Doch aber muss die Zeichnung der herrschenden
Leidenschaft so allgemein entworfen sein, als es ihr Streit mit den
andern in der Natur nur immer zulassen will, damit der vorzustellende
Charakter sich desto kraeftiger ausdruecke."
----Fussnote
[1] Bei den Versen der Horazischen Dichtkunst: Respicere exemplar vitae
morumque jubebo Doctum imitatorum, et veras hinc ducere voces, wo Hurd
zeigt, dass die Wahrheit, welche Horaz hier verlangt, einen solchen
Ausdruck bedeute, als der allgemeinen Natur der Dinge gemaess ist;
Falschheit hingegen das heisse, was zwar dem vorhabenden besondern Falle
angemessen, aber nicht mit jener allgemeinen Natur uebereinstimmend sei.
----Fussnote
Dreiundneunzigstes Stueck
Den 22. Maerz 1768
"Alles dieses laesst sich abermals aus der Malerei sehr wohl erlaeutern. In
charakteristischen Portraeten, wie wir diejenigen nennen koennen, welche
eine Abbildung der Sitten geben sollen, wird der Artist, wenn er ein Mann
von wirklicher Faehigkeit ist, nicht auf die Moeglichkeit einer abstrakten
Idee losarbeiten. Alles was er sich vornimmt zu zeigen, wird dieses sein,
dass irgendeine Eigenschaft die herrschende ist; diese drueckt er stark,
und durch solche Zeichen aus, als sich in den Wirkungen der herrschenden
Leidenschaft am sichtbarsten aeussern. Und wenn er dieses getan hat, so
duerfen wir, nach der gemeinen Art zu reden, oder, wenn man will, als ein
Kompliment gegen seine Kunst, gar wohl von einem solchen Portraete sagen,
dass es uns nicht sowohl den Menschen, als die Leidenschaft zeige; gerade
so wie die Alten von der beruehmten Bildsaeule des Apollodorus vom Silanion
angemerkt haben, dass sie nicht sowohl den zornigen Apollodorus, als die
Leidenschaft des Zornes vorstelle.[1] Dieses aber muss bloss so verstanden
werden, dass er die hauptsaechlichen Zuege der vorgebildeten Leidenschaft
gut ausgedrueckt habe. Denn im uebrigen behandelt er seinen Vorwurf ebenso,
wie er jeden andern behandeln wuerde: das ist, er vergisst die
mitverbundenen Eigenschaften nicht und nimmt das allgemein
|