er Politik hier noch die meiste Gelegenheit
bot, um ein wenig zu hoeren und zu sehen, was in der Welt vorging oder
sich vorbereitete.
In den letzten Tagen war in das Stillleben des Badeaufenthalts ein wenig
mehr Leben und Bewegung gekommen; man hatte gelesen, dass der Erbprinz
von Hohenzollern als Candidat fuer den spanischen Thron aufgestellt sei,
und dass derselbe diese Candidatur angenommen habe. Man wusste, dass dieses
Ereigniss, welches an sich von keiner besondern Bedeutung zu sein schien,
eine grosse Aufregung in der franzoesischen Presse erregt hatte. Im Corps
legislatif war eine Interpellation erfolgt, und der Herzog von Gramont
hatte eine sehr kategorische und sogar etwas verletzende Erklaerung
abgegeben; auch war der Botschafter des Norddeutschen Bundes Baron von
Werther in Ems angekommen. Das Alles liess darauf schliessen, dass die
spanische Thronfrage und die Candidatur des Prinzen Leopold Gegenstand
der Verhandlungen zwischen dem Koenige Wilhelm und dem Kaiser Napoleon
geworden sei oder werden wuerde und namentlich unter den sich im
Ferienaufenthalt hier befindenden Diplomaten war dadurch eine gewisse
neugierige Spannung hervorgerufen, doch nahm im Ganzen die Gesellschaft
wenig Theil daran. Man war seit einigen Jahren ja gewoehnt, dass hier und
da kleine Differenzen zwischen Frankreich und Preussen entstanden, und da
dieselben jeder Zeit mit der aeussersten Courtoisie von beiden Seiten
wieder ausgeglichen waren, so legte man auch diesmal der so ploetzlich
aufgetauchten Frage keine grosse Bedeutung bei, und um so weniger als ja
die ganze Sache Preussen und Deutschland so unendlich wenig anzugehen
schien.
So war denn die ganze Gesellschaft auf der Brunnenpromenade in Ems
ebenso heiter, als der blaue sonnige Himmel, welcher sich ueber dem
reizenden Bergthal ausspannte. Es waren nur Worte leichter und
froehlicher Conversation, welche man unter den Klaengen der Badecapelle
miteinander wechselte.
Bereits war der Prinz Georg von Preussen auf der Promenade erschienen und
hatte sich in liebenswuerdigster Weise mit den ihm bekannten Damen und
Herren der Badegesellschaft unterhalten, und mit allgemeiner Spannung
erwartete man den Koenig Wilhelm, welchen man puenktlich zur festgesetzten
Stunde auf der Promenade erscheinen zu sehen gewohnt war, um seinen
Kraenchen-Brunnen zu trinken.
"Ich habe gestern Abend die neuesten Zeitungen mit Nachrichten aus
Frankreich gelesen," sagte der Praesident des evangelischen
O
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