erfuellten. Was ist denn die Union,
dieses Werk meines unvergesslichen Vaters, anders, als der Ausdruck der
wahrhaft christlichen Toleranz, um alle Bekenner des evangelischen
Glaubens zu einer evangelischen Kirche zu vereinigen.
"Nun ich hoffe," sprach er weiter, "der gesunde Sinn der Gemeinden wird
kraeftiger sein, als der eigensinnige Zelotismus der Geglichen. Uebrigens
liegt es mir ja unendlich fern, den Gewissen irgend welchen Zwang anthun
zu wollen und einen Druck zur Einfuehrung der Union auszuueben. Sie werden
mir ueber das Alles noch ausfuehrlich berichten," sagte er, "sobald ich
eine Stunde freie Zeit habe."
Er gruesste Herrn von Moeller und wendete sich zu zwei Damen, welche in
einfacher Morgentoilette an der Seite der Promenade stehen bleibend,
sich tief verneigten.
Es waren die berliner Kuenstlerinnen, Fraeulein Marie Kessler mit dem
anmuthig gedankenvollen Ausdruck in den weichen sinnenden Augen und
Fraeulein Anna Schramm, deren lebhafte Blicke von Geist und Laune
funkelten.
"Nun, meine Damen," sagte der Koenig, "ich hoffe, dass die Vorstellung,
welche Sie mit Herrn Bethge und Herren Behrend zum Besten der
Abgebrannten in Pera veranstaltet haben, einen recht guenstigen Ertrag
fuer die armen Opfer jener ungluecklichen Catastrophe erzielt hat."
"Die Rechnungen sind noch nicht abgeschlossen, Majestaet," erwiderte
Fraeulein Kessler, "doch hoffen wir, dass nach der Gesammteinnahme ein
erheblicher Ueberschuss sich ergeben wird."
"Ich habe mich sehr ueber Ihr Unternehmen gefreut," sagte der Koenig "und
spreche Ihnen nochmals meinen Dank dafuer aus. Es ist ein schoener Zug des
immer mehr erstarkenden und erwachenden Nationalgefuehls, dass wenn auch
im fernsten Auslande Deutsche von dem Schlage des Ungluecks getroffen
werden, die besten Kraefte der Nation sich vereinigen, um ihnen
beizustehen, und es hat mich hoch erfreut, dass meine berliner Kuenstler
und Kuenstlerinnen auch in dieser Beziehung mit edlem Beispiel
vorangegangen."
Mit ritterlich artigem Gruss gegen die beiden Damen schritt er weiter,
begruesste noch die verschiedenen Bekannten auf der Promenade, waehrend er
die vorgeschriebene Anzahl von Bechern an der Quelle leerte und kehrte
dann, vom Grafen Lehndorf gefolgt, nach seiner Wohnung im Badehause
zurueck.
Ruestigen und leichten Schrittes stieg er die Treppe hinauf, trat durch
das Wohnzimmer in den einfachen Raum, welcher ihm als Arbeitscabinet
diente; an dem Fenster dieses Zimmers sta
|