"ich kann mir unmoeglich denken, dass der Kaiser
Napoleon, dessen Gesundheit in der letzten Zeit immer weniger fest
gewesen ist, darauf ausgehen sollte, einen Conflict zu suchen, und doch
erscheint diese ganze Behandlung der Hohenzollerschen Candidatur wie
eine Provocation, denn einen politischen Grund, sich so sehr darueber zu
echauffiren, sehe ich in der That nicht. Der Prinz Leopold ist kein
preussischer Prinz--und wenn er es waere, glaubt man denn, dass er in
diesem von Parteien zerrissenen spanischen Lande preussische Politik
machen koennte? Jeder Koenig, der dort auf den Thron steigt, wird genug zu
thun haben, um sich auf demselben zu erhalten und der inneren
Verwirrungen Herr zu werden. Ich begreife die ganze Sache nicht," fuhr
er fort,--"ich hoffe, dass das Alles nur ein kleines Strohfeuer sein
wird, wie man sie in Frankreich von Zeit zu Zeit anzuzuenden liebt, und
dass der Kaiser Napoleon auch diesmal wie bei der Luxemburger
Angelegenheit, die doch eigentlich ernsterer Natur war, das Feuer der
Kriegspartei ein wenig daempfen wird."
"Auch ich bin davon ueberzeugt, Majestaet," erwiderte Herr von Werther,
"denn nach all den Eindruecken, die ich habe, wuenscht der Kaiser wirklich
aufrichtig die Erhaltung des europaeischen Friedens und guter Beziehungen
zu Eurer Majestaet. Indess laesst sich nicht verkennen," fuhr er fort, "dass
diese Hohenzollersche Frage die oeffentliche Meinung im hohen Grade
aufgeregt hat, allerdings unter Vorgang der Regierungsjournale--doch bei
meiner Abreise von Paris war diese Aufregung sehr gross, und nach dem,
was ich aus den Zeitungen sehe, steigt sie von Tage zu Tage. Ollivier
ist aeusserst abhaengig von der oeffentlichen Meinung, der Herzog von
Gramont folgt Ollivier, und der Kaiser steht, je mehr sein Koerper und
seine Nerven schwach werden, immer mehr unter dem Einfluss seiner
Minister und seiner Umgebung."
"Nun," sagte der Koenig, "ich werde wahrhaftig nichts dazu thun, um die
Situation zu verschlimmern, ich werde ein freundliches Entgegenkommen
zeigen, da ich wahrlich kein Interesse daran habe, den Prinzen Leopold
zu diesem spanischen Abenteuer zu treiben, aber ebenso wenig kann ich
ihm auch dasselbe verbieten, ich wuerde ja auch dazu eigentlich gar kein
Recht haben. Wenn er mich um Rath fragt, so ist das eine
Courtoisie,--wenn er aber meinen Rath nicht befolgen will, so kann ich
ihn kaum dazu zwingen--jedenfalls bin ich als Koenig von Preussen der
ganzen Angelegenheit voellig f
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