e gefallen. Die Beispiele, wo der Indianer in
der Grausamkeit so weit geht, dass er seine Naechsten, sein Weib, eine
ungetreue Geliebte verzehrt, sind, wie wir weiter unten sehen werden, sehr
selten. Auch weiss man am Orinoco nichts von der seltsamen Sitte der
scythischen und massagetischen Voelker, der Capanaguas am Rio Ucayale und
der alten Bewohner der Antillen, welche dem Todten zu Ehren die Leiche zum
Theil assen. Auf beiden Continenten kommt dieser Brauch nur bei Voelkern
vor, welche das Fleisch eines Gefangenen verabscheuen. Der Indianer auf
Haiti (St. Domingo) haette geglaubt dem Andenken eines Angehoerigen die
Achtung zu versagen, wenn er nicht ein wenig von der gleich einer
Guanchenmumie getrockneten und gepulverten Leiche in sein Getraenk geworfen
haette. Da kann man wohl mit einem orientalischen Dichter sagen, "am
seltsamsten in seinen Sitten, am ausschweifendsten in seinen Trieben sey
von allen Thieren der Mensch."
Das Klima in San Antonio de Javita ist ungemein regnerisch. Sobald man
ueber den dritten Breitegrad hinunter dem Aequator zu kommt, findet man
selten Gelegenheit Sonne und Gestirne zu beobachten. Es regnet fast das
ganze Jahr und der Himmel ist bestaendig bedeckt. Da in diesem
unermesslichen Urwald von Guyana der Ostwind nicht zu spueren ist und die
Polarstroeme nicht hieher reichen, so wird die Luftsaeule, die auf dieser
Waldregion liegt, nicht durch trockenere Schichten ersetzt. Der
Wasserdunst, mit dem sie gesaettigt ist, verdichtet sich zu aequatorialen
Regenguessen. Der Missionaer versicherte uns, er habe hier oft vier, fuenf
Monate ohne Unterbrechung regnen sehen. Ich mass den Regen, der am ersten
Mai innerhalb fuenf Stunden fiel: er stand 21 Linien hoch, und am dritten
Mai bekam ich sogar 14 Linien in drei Stunden Und zwar, was wohl zu
beachten, wurden diese Beobachtungen nicht bei starkem, sondern bei ganz
gewoehnlichem Regen angestellt. Bekanntlich fallen in Paris in ganzen
Monaten, selbst in den nassesten, Maerz, Juli und September, nur 28 bis 30
Linien Wasser. Allerdings kommen auch bei uns Regenguesse vor, bei denen in
der Stunde ueber einen Zoll Wasser faellt, man darf aber nur den mittleren
Zustand der Atmosphaere in der gemaessigten und in der heissen Zone
vergleichen. Aus den Beobachtungen, die ich hinter einander im Hafen von
Guayaquil an der Suedsee und in der Stadt Quito in 1492 Toisen Meereshoehe
angestellt, scheint hervorzugehen, dass gewoehnlich auf dem Ruecken der Anden
in
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