der Ort selbst ist zwar
auf ein Fuenftel seiner frueheren Groesse zusammengeschmolzen, sieht aber
ziemlich freundlich aus. Wer freilich tieferen Eindruck von den
Ueberresten aus der classischen Zeit erwartet, der wird enttaeuscht sein.
Es blieb nur wenig davon zurueck, zu wenig, um Achtung zu gebieten oder gar
kuenstlerisch anzuregen. Nur die zerrissenen Bogen des Aquaeducts draussen in
den Feldern, mit ihrem Schmuck von kletternden Pflanzen, sind aesthetisch
wirksam. Der Argens war so fleissig bei der Arbeit, dass heute eine weite
sandige Flaeche Frejus vom Meere trennt; die Truemmer des alten roemischen
Leuchtthurms ragen jetzt anderthalb Kilometer vom Strande entfernt aus dem
Boden hervor. So ist der alte Glanz von Frejus fuer immer geschwunden, und
was von demselben zurueckblieb, vermag solchen Eindruck wie die Denkmaeler
von Nimes und von Arles auf uns nicht zu machen. Doch erhebt uns auch hier
das Gefuehl, classischen Boden unter den Fuessen zu haben. Wir schauen dann
hinaus in das blaue Mittelmeer, an dessen Ufern jene maechtige Cultur
erstarkte, welche die Welt erobert hat. Wir suchen das Band mit der
Vergangenheit enger zu knuepfen und werden uns im Geiste wieder bewusst, dass
jene allgemein menschlichen Gedanken und Gefuehle, die hier zum ersten Mal
zur bewussten Empfindung und Gestaltung gelangten, auch heute noch unser
Denken und Fuehlen beherrschen.
Roemische Villen fuellten jenen Strand, an dem heut St. Raphael sich erhebt.
Die roemischen Patricier bevorzugten ueberhaupt dieses schoene Land. Es war
das ihre Provincia Romana par excellence, diejenige, die sie meinten, wenn
sie kurzweg von Provincia sprachen, und sie behielt den Namen der
Provence. Am Strande von St. Raphael liessen sich nach den Roemern die
Tempelritter nieder und bauten jenen viereckigen Thurm, der auch heute
noch die alte Kirche zu schuetzen scheint. Im Jahre 1799 landete hier
Bonaparte, als er von Aegypten kam, und hier auch verliess er das Land, um
1814 nach Elba zu gehen. Es trifft somit nicht ganz zu, wenn behauptet
wird, Alphonse Karr habe St. Raphael entdeckt: richtig aber ist, dass er
unter den franzoesischen Schriftstellern der erste war, der sich hier
niederliess, dass ihm bald andere Celebritaeten der Litteratur und Kunst
folgten, und dass der neue Aufschwung von St. Raphael mit jener Zeit
begann. Was aber alle jene Kuenstler und Schriftsteller hier suchten, das
war der stille abgelegene Ort, an dem man Blumen, Sonne und Meer gen
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