ch St. Tropez. Im Norden die Kalkalpen in
perlgrauem Ton; im Osten die Seealpen mit schneebedeckten Haeuptern; davor
ueppig gruenes Land, mit leuchtenden Staedten und Doerfern und wieder die
Kueste, erst bei Bordighera in duftigen Nebel sich huellend. Ganz in der
Naehe Cannes, vor ihm die Inseln von Lerins; weit vorspringend in die See
das schmale Cap von Antibes; endlich im Sueden, scheinbar dem Himmel
entgegenstrebend, das unbegrenzte Meer.
Heute war es hier oben so windstill, dass auch die einsame Korkeiche, die
am Gipfel steht, sich in der Sonne *waermen* konnte. Auch sie, die
bedauernswerthe, war ihrer schuetzenden Korkhuelle beraubt worden. Zum
grossen Theil entbloesst, musste sie an schlimmen Tagen dem Mistral hier
trotzen. In dem friedlichen Bilde, das uns umgab, stoerte diese nackte
Eiche wie ein Misston die Harmonie.
Der Weg, den wir bei Malpay verlassen hatten, setzt sich in gerader
Richtung am Fusse des Mont Vinaigre fort und trifft bald auf die grosse
Strasse von Frejus und Cannes. Folgt man ihr in oestlicher Richtung, so
gelangt man bald zu einer Haeusergruppe, der Auberge des Adrets und dem
Gensdarmerieposten. Der Name, den das Wirthshaus fuehrt, war in Paris einst
in Jedermanns Mund, als der beruehmte Schauspieler Frederic Lamaitre im
Ambigu-Theater die Hauptrolle in einem Schauerdrama gab, das in einer
"Auberge des Adrets" spielte. Das war in den vierziger Jahren, und alle
sensationsbeduerftigen Besucher von Cannes machten Ausfluege ins Esterel, um
in der "Auberge des Adrets" die Raeume zu sehen, in denen ein Herr Germeuil
ermordet oder vielmehr *nicht* ermordet worden war. Denn abgesehen davon,
ob die ganze Geschichte sich jemals zugetragen, oder ob sie nur erfunden
war, handelte es sich thatsaechlich in dem Drama nicht um diese, sondern,
wie das Textbuch deutlich angab, um eine Herberge gleichen Namens auf dem
Wege von Grenoble nach Chambery. - Unter den Besuchern, die in froehlicher
Laune von Cannes aus hierher gekommen waren, befand sich im Jahre 1868
auch Georges Sand. Die Bewohner des Hauses wurden damals schon sehr
ungehalten, wenn man sie ueber jenen Herrn Germeuil ausfragen wollte; sie
glaubten, man bezichtige sie des Mordes. Richtig ist, dass vor Jahren die
Gegend um jene "Auberge des Adrets" besonders beruechtigt war. In den
unzugaenglichen Thaelern und Schluchten des Esterel suchten alle jene
Verbrecher ihre Zuflucht, denen es gelungen war, aus den Galeeren von
Toulon zu entfliehen. Sie pf
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