nen in einem waldigen
Thale, dem "Ravin" des Baches Escalle, der hier abwaerts fliesst, langsam
abzusteigen. Schoene Stecheichen (_Ilex aquifolium_) ragen stellenweise aus
dem ueppigen Dickicht hervor. Es sind das hier stattliche Baeume, waehrend
wir sie in unseren Waeldern nur in Strauchform finden. Da faellt uns dann
wieder auf, was einst schon Chamisso bemerkte, dass die glaenzenden,
lederartig starren Blaetter nur in den unteren Theilen des Baumes mit
scharfen Zaehnen besetzt sind, an den hoeher entspringenden Aesten aber
einen fast glatten Rand haben. Nur an denjenigen Blaettern, die von den
weidenden Thieren erreicht werden koennen, bildet zum Schutz gegen
dieselben diese Pflanze Stacheln aus. Der Weg wendet sich ploetzlich nach
Westen, und ganz unvermittelt stehen wir am Ausgang des Malinfernet. Da
ragen sie nun hervor aus dem dunklen Wald, alle die rothen Felsen hier in
der Sonne gluehend, dort in den Schatten der Berge getaucht. Sie
verschieben sich gegeneinander bei jedem Schritt, den wir vorwaerts
schreiten; die einen schwinden, die andern treten hervor, fast endlos. Und
der klare Bach, der das Thal durchstroemt, rauscht entweder stark, oder
murmelt schwach, oder donnert laut in Wasserfaellen. Einmal verbirgt er
sich ganz im gruenen Laub der Baeume, dann tritt er wieder weit sichtbar vor
und spiegelt mit hellem Glanze den Himmel. Und erst die Felsen! Hier
glaubt man einen spitzen Thurm zu sehen, wie den Thurm eines gothischen
Domes, mit steinernen Blumen und Thieren und allerhand Schnoerkeln
verziert; dort eine Burg mit ihren Schanzen und Zinnen, dort eine Orgel
mit riesigen Pfeifen, hier einen schlanken Kegel, dort einen kantigen
Crystall, hier wieder ein Standbild auf hohem Postament. Ist das nicht der
Gott Osiris, der auf diesen Felsen thront? Er traegt zwei junge Kiefern wie
Scepter in den Haenden. Am Eingang jener Schlucht kauert eine Sphinx und
holt aus zum Sprunge. Und dort am fernen Abhang scheint eine wilde Jagd
den Berg hinabzurasen. Die phantastischen Thiere ragen hoch aus dem Wald
hervor, in letztem Todeskampf zu Stein erstarrt. Da hat die Natur ihrem
ungezuegelten Gestaltungsdrang freien Lauf gelassen; sie schuf in
uebermuethiger Laune. Und als bereue sie nachtraeglich diesen Uebermuth,
verbarg sie sorgsam das Thal zwischen hohen Bergen. Das Malinfernet musste
thatsaechlich erst entdeckt werden, und noch im December 1851, nach dem
napoleonischen Staatsstreich konnten politische Fluechtlinge sich dor
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