ionen? Auch wir haben keine Ahnung von ihrer Groesse. Wir
wissen nur, dass wir ab und zu in den Russenschlachten die Huegel der
feindlichen Leichen vor unseren Graeben entfernen mussten, um das Schussfeld
gegen neuanstuermende Gewalthaufen frei zu bekommen. Mag die Phantasie
hieraus die Zahl der Verluste zusammenstellen, eine richtige Berechnung
bleibt fuer ewig ein misslingender Versuch.
Ob Kerenski aus eigenem Entschluss oder durch die Lockungen und den Zwang
der Entente zum Angriff bewogen wird, ist schwer zu entscheiden.
Jedenfalls hat die Entente das groesste Interesse daran, dass Russland
nochmals zu einer Offensive vorgetrieben wird. Sie hat im Westen die gute
Haelfte ihrer Sturmkraft bis jetzt schon vergeblich geopfert, ja vielleicht
schon mehr als die Haelfte. Was bleibt ihr aber uebrig als den Einsatz des
gebliebenen Restes zu wagen, wenn auch die Hilfe Amerikas noch fern ist?
Der Unterseebootkrieg frisst gerade in jenen Monaten an dem Lebensmark
unseres erbittertsten, unversoehnlichsten Gegners in einer Staerke, dass es
fraglich erscheinen muss, ob fuer Amerikas Hilfe im kommenden Jahr noch die
Moeglichkeit des Transportes gegeben sein wird. Deutschlands Truppen muessen
also im Osten festgehalten werden, und deswegen wird Kerenski die letzte
Kraft Russlands im Angriff einsetzen. Ein gewagtes Spiel, am meisten gewagt
fuer Russland! Doch voll berechtigt; denn gelingt es, dann ist nicht nur die
Entente gerettet, sondern es kann auch eine russische Diktatur geschaffen
und erhalten werden. Ohne solche ist Russland dem Chaos verfallen.
Die Aussichten fuer die Offensive Kerenskis gegen die deutsche Front sind
freilich jetzt kaum besser als in frueheren Zeiten. Moegen auch gute,
deutsche Divisionen nach dem Westen gezogen worden sein, die verbliebenen
genuegen, um einen russischen Anprall auszuhalten. Zu einer langandauernden
Sturmflut wie 1917 wird der Angriff nicht werden, dazu fehlt dem Gegner
die innere Kraft. Zahlreiche russische Freiheitsverkuender durchziehen
pluendernd das Rueckengebiet der Armee oder stroemen der Heimat zu. Auch gute
Elemente verlassen die Front, aus Sorge um Angehoerige und Besitz
angesichts der drohenden innerpolitischen Katastrophe.
Bedenklich liegen dagegen die Verhaeltnisse an der
oesterreichisch-ungarischen Front; es ist zu befuerchten, dass dort auch
jetzt wieder, wie 1916, der russische Ansturm schwache Stellen finden
wird. Vielleicht, ja sicher wohl, hat Kerenski darueber die gle
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