iebte ihn selbst.
Sein gutes, freundliches, sich immer gleich bleibendes Wesen sprach sie
an. Er galt ihr fuer gescheut. Sein bischen Lehrerweisheit imponierte dem
unwissenden, frueh der Schule entrissenen, aber lerneifrigen Maedchen.
"Weinst Du?" fragte die Tante, in ihrer fahrigen, kreiselnden Weise ins
Zimmer tretend.
"Ich? Nein. Wie so?" stotterte Therese und versuchte zu lachen.
Bei Behns drueben fuhr in diesem Augenblick eine Droschke vor. Die
Familie kehrte von einer Ausfahrt zurueck.
Die Wittfoth stuerzte ans Fenster.
"Die koennen's. Immer nobel."
Fraeulein Lulu verliess als letzte etwas langsam den Wagen.
"Greif Dich man nich an," spottete die Wittfoth. "Wie sie schlappt."
Therese, solche Bemerkungen der Tante gewohnt und wenig erbaut davon,
schwieg.
"Hast Du gesehn?" fuhr diese fort. "Beim Aussteigen? Die hat ja wohl
seit acht Tagen keine frischen Struempfe angezogen."
"So?" zweifelte Therese.
"Pechschwarz, und 'n Loch war auch drin," eiferte die Tante.
"Das kannst Du von hier sehen?" wunderte sich das Maedchen.
"Na, jedenfalls wuerd' ich mich schaemen, mit solchen Struempfen
auszufahren," lenkte die Wittfoth ein. "Und noch dazu auf'n Ostern."
VI.
Lulu Behn entsprach so ziemlich ihrem Ruf. Vom Vater verzogen, dessen
Liebling die ihm aehnliche Erstgeborene geblieben war, der schwachen,
etwas beschraenkten Mutter an Verstand weit ueberlegen, genoss sie nach
Kraeften die bequemen Tage, die die gute Lebensstellung der Eltern ihr
ermoeglichte. Ihr Hang zur Bequemlichkeit artete in Traegheit aus, je
weniger die unter harter Arbeit gross gewordene Mutter vom
Selbstwirtschaften ablassen wollte, trotzdem der in den letzten Jahren
oft kraenkelnden Frau von dem gutmuetigen Mann in jeder Weise
Erleichterung zu Gebote gestellt wurde.
Mit Hilfe eines Dienstmaedchens und der zweiten, vierzehnjaehrigen Tochter
Paula, die in allem der Mutter aehnelte, konnte sie recht gut den
Pflichten des schlicht buergerlichen Hauswesens nachkommen, ohne auf die
Unterstuetzung der aelteren Tochter angewiesen zu sein.
Lulu, die frueh gute Anlagen zum Lernen zeigte, hatte eine fuer ihre
Verhaeltnisse sorgsame Ausbildung genossen. Sie war zwei Jahre in einer
auswaertigen Pension gewesen, wohin sie der Vater des Hausfriedens wegen
schickte, da Mutter und Tochter sich schlecht vertrugen.
Auch Musikunterricht hatte Lulu gehabt. Als Dame war sie ins Elternhaus
zurueckgekehrt.
Die Schwester war in
|