esehen"--setzte sie
ernster werdend hinzu--"gesehen habe ich ihn, und deswegen kam ich
auch vorhin etwas in Verlegenheit."
"Was da! Zwischen sehen und sehen ist ein grosser Unterschied",
antwortete Berner mit einem voellig unglaeubigen Kopfschuetteln. "Da
muessen Sie ihm doch ein wenig gar scharf in die Augen gesehen haben?"
"So hoeren Sie mich doch, Sie boeser Mann!" unterbrach ihn Ida. "Wer
wird denn auch gleich auf den Schein hin verdammen? Ich sage noch
einmal, ich weiss nicht, wer er ist; aber das innigste Mitleid habe
ich mit ihm. Als wir gestern durch den Lanzinger Wald kamen, fuhren
wir einer Equipage vor, die ganz langsam im Schritt hinging. Es war
ein prachtvoller Landau mit einem grossen Bock, worauf ein alter
Diener in reicher Livree sass; am Wagen zogen vier Postpferde; das
Dach war zurueckgeschlagen, und es sass niemand darin als ein grosser
Hund. Sie wissen, wie man auf der Reise ist, man interessiert sich um
die Mitreisenden, besonders wenn man glaubt, auf einerlei Station mit
ihnen zu wohnen oder zu speisen. So dachte ich mir jetzt, die
Reisenden, denen der Wagen gehoert, seien vorausgegangen und lassen
ihn langsam nachfahren. Ich sah daher alle Augenblicke aus unserem
Wagen, ob ich noch keine reisenden Englaenderinnen oder Franzoesinnen
gewahr werden koennte; aber immer vergebens. Endlich, als wir um eine
Waldecke bogen, sah ich auf einmal einen Mann, der unter einer Eiche
sass und zu dem Wagen gehoeren musste."
"Und war es derselbe, der dort an der Saeule steht?" fragte der
Hofrat.
"Derselbe; er war auch ganz schwarz gekleidet wie jetzt, sein Hut lag
neben ihm im Gras, seinen Kopf stuetzte er in die hohle Hand. Das
Geraeusch unseres Wagens, der jetzt, weil es bergauf ging, auch
langsam fuhr, schien ihn aufzuschrecken; ohne aufzusehen, ging er mit
gesenktem Haupt bis an unsere Wagentuere. Da richtete er sich auf, und
Sie koennen sich meinen Schrecken denken, Hofrat, als ich das naemliche
geisterbleiche Gesicht sah, das auch Ihnen aufgefallen ist. Er musste
heftig geweint haben; denn Traenen hingen in den langen schwarzen
Wimpern und gaben dem gluehendschwarzen, sinnigen Auge einen ganz
eigenen Reiz."
"So, so? Einen ganz eigenen Reiz!" antwortete laechelnd der Hofrat.
"Wer hat denn meinem Maedchen erlaubt, ueber Maenneraugen Betrachtungen
anzustellen? Hat sie das auch bei Madame La Truiaire in der Residenz
gelernt?"
Das lustige Amorettenkoepfchen, das sich da, es wusste nicht wie,
verbebb
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