seinen Eidam Polyeukt umkommen laesst, so ist es nicht aus wuetendem Eifer
gegen die Christen, der ihn uns verabscheuungswuerdig machen wuerde,
sondern bloss aus kriechender Furchtsamkeit, die sich nicht getrauet, ihn
in Gegenwart des Severus zu retten, vor dessen Hasse und Rache er in
Sorgen stehet. Man fasset also wohl einigen Unwillen gegen ihn, und
missbilliget sein Verfahren; doch ueberwiegt dieser Unwille nicht das
Mitleid, welches wir fuer den Polyeukt empfinden, und verhindert auch
nicht, dass ihn seine wunderbare Bekehrung, zum Schlusse des Stuecks, nicht
voellig wieder mit den Zuhoerern aussoehnen sollte." Tragische Stuemper,
denke ich, hat es wohl zu allen Zeiten und selbst in Athen gegeben. Warum
sollte es also dem Aristoteles an einem Stuecke von aehnlicher Einrichtung
gefehlt haben, um daraus ebenso erleuchtet zu werden, als Corneille?
Possen! Die furchtsamen, schwanken, unentschlossenen Charaktere, wie
Felix, sind in dergleichen Stuecken ein Fehler mehr und machen sie noch
obendarein ihrerseits kalt und ekel, ohne sie auf der andern Seite im
geringsten weniger graesslich zu machen. Denn, wie gesagt, das Graessliche
liegt nicht in dem Unwillen oder Abscheu, den sie erwecken: sondern in
dem Ungluecke selbst, das jene unverschuldet trifft; das sie einmal so
unverschuldet trifft als das andere, ihre Verfolger moegen boese oder
schwach sein, moegen mit oder ohne Vorsatz ihnen so hart fallen. Der
Gedanke ist an und fuer sich selbst graesslich, dass es Menschen geben kann,
die ohne alle ihr Verschulden ungluecklich sind. Die Helden haetten diesen
graesslichen Gedanken so weit von sich zu entfernen gesucht, als moeglich:
und wir wollten ihn naehren? wir wollten uns an Schauspielen vergnuegen,
die ihn bestaetigen? wir? die Religion und Vernunft ueberzeuget haben
sollte, dass er ebenso unrichtig als gotteslaesterlich ist?--Das naemliche
wuerde sicherlich auch gegen die dritte Manier gelten; wenn sie Corneille
nicht selbst naeher anzugeben vergessen haette.
5. Auch gegen das, was Aristoteles von der Unschicklichkeit eines ganz
Lasterhaften zum tragischen Helden sagt, als dessen Unglueck weder Mitleid
noch Furcht erregen koenne, bringt Corneille seine Laeuterungen bei.
Mitleid zwar, gesteht er zu, koenne er nicht erregen; aber Furcht
allerdings. Denn ob sich schon keiner von den Zuschauern der Laster
desselben faehig glaube, und folglich auch desselben ganzes Unglueck nicht
zu befuerchten habe: so koenne doch ein jed
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