ein wenig
ueberladen; aber das ist ein notwendiges Uebel; ohne Hilfe der Episoden
wuerden wir uns vor Frost nicht zu lassen wissen."
"Das ist. Um der Nachahmung einer Handlung Feuer und Geist zu geben, muss
man die Handlung weder so vorstellen, wie sie ist, noch so, wie sie sein
sollte. Kann etwas Laecherlicheres gedacht werden? Schwerlich wohl; es
waere denn etwa dieses, dass man die Geigen ein lebhaftes Stueck, eine
muntere Sonate spielen laesst, waehrend dass die Zuhoerer um den Prinzen
bekuemmert sein sollen, der auf dem Punkte ist, seine Geliebte, seinen
Thron und sein Leben zu verlieren.
"Madame", sagte Mongogul, "Sie haben vollkommen recht; traurige Arien
muesste man indes spielen, und ich will Ihnen gleich einige bestellen
gehen." Hiermit stand er auf und ging heraus, und Selim, Riccaric und die
Favoritin setzten die Unterredung unter sich fort.
"Wenigstens, Madame", erwiderte Selim, "werden Sie nicht leugnen, dass,
wenn die Episoden uns aus der Taeuschung herausbringen, der Dialog uns
wieder hereinsetzt. Ich wuesste nicht, wer das besser verstuende, als unsere
tragische Dichter."
"Nun so versteht es durchaus niemand", antwortete Mirzoza. "Das Gesuchte,
das Witzige, das Spielende, das darin herrscht, ist tausend und tausend
Meilen von der Natur entfernt. Umsonst sucht sich der Verfasser zu
verstecken; er entgeht meinen Augen nicht, und ich erblicke ihn
unaufhoerlich hinter seinen Personen. Cinna, Sertorius, Maximus, Aemilia
sind alle Augenblicke das Sprachrohr des Corneille. So spricht man bei
unsern alten Sarazenen nicht miteinander. Herr Riccaric kann Ihnen, wenn
Sie wollen, einige Stellen daraus uebersetzen; und Sie werden die blosse
Natur hoeren, die sich durch den Mund derselben ausdrueckt. Ich moechte gar
zu gern zu den Neuern sagen: 'Meine Herren, anstatt dass ihr euern
Personen bei aller Gelegenheit Witz gebt, so sucht sie doch lieber in
Umstaende zu setzen, die ihnen welchen geben.'"
"Nach dem zu urteilen, was Madame von dem Verlaufe und dem Dialoge
unserer dramatischen Stuecke gesagt hat, scheint es wohl nicht", sagte
Selim, "dass Sie den Entwicklungen wird Gnade widerfahren lassen."
"Nein, gewiss nicht", versetzte die Favoritin, "es gibt hundert schlechte
fuer eine gute. Die eine ist nicht vorbereitet; die andere ereignet sich
durch ein Wunder. Weiss der Verfasser nicht, was er mit einer Person, die
er von Szene zu Szene ganze fuenf Akte durchgeschleppt hat, anfangen soll:
geschwind fertig
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