st du nicht tun, liebe Mutter! Du wirst mit mir warten, bis
Joachim menschlich wieder so weit ist, sich von ferne wenigstens seiner
Vaterpflicht zu erinnern und sich einmal zu erkundigen, was aus seiner
Tochter geworden ist. Lass ihn! Er macht jetzt Ferien von seinem voellig
verfehlten Ichleben."
"Er ist schuldlos an seinem Unglueck!"
"Nein! Er ist nicht ohne Schuld."
"Fritz!"
"Er ist nicht ohne Schuld gegen sich selbst; denn er hat sich durch seinen
masslosen Hass viel tiefer ins Unglueck gebracht, als ein kluger Mensch, der
sich beherrschen kann, noetig hatte, und er hat sich gegen sein Kind
schaebig benommen."
"Das ist unerhoert, was du zu behaupten wagst. Nun werde ich Joachim
bestimmt aufklaeren."
"Tue es nicht, Mutter, ich rate dir gut. Joachim wird jetzt noch nicht mit
dem Kinde zusammenleben wollen."
"Nun, so muesste man eben das Maedchen vorlaeufig noch nach einer guten
Pension bringen."
"Das wuerde nicht geschehen; sondern wenn eine Trennung noetig waere, wuerde
Luise hierbleiben, und Joachim wuerde von mir entlassen werden."
"Entlassen?"
"Ja, es hat sich so gefuegt, dass Joachim gegenwaertig mein Angestellter ist.
Er hat einen sehr kurzfristigen Vertrag."
"Du bist masslos hochmuetig und lieblos!"
"Ich handle so, wie es mir mein Herz und meine Vernunft vorschreiben."
"Berufe dich nicht auf dein Herz", sagte sie, "du hast keines!"
Und sie ging.
Ich habe in den folgenden Tagen seelisch gelitten. Nicht nur der Mutter
wegen, die ich liebe und mit der ich mich so wenig verstehe, sondern auch,
weil ich rundum Leute sehe, die sich von der Last ihres Alltagslebens
befreit in Ferienruhe des Daseins erfreuen und ich selbst mittendrin stehe
im Ichleben, im Familienjammer.
Und da daemmerte mir, dass es gut sei, wenn ich selbst der Liebe fernbliebe,
dass ich in freiem, ungestoertem Zoelibat meiner grossen Idee am besten dienen
koenne, Herz und Sinne zwar leer von manchem Glueck bleiben wuerden, aber Arm
und Fuss frei von jeder auch noch so goldenen Kette, frei zum
Vorwaertsschreiten und Handeln.
Zur Mutter ging ich nach drei Tagen. Ich sprach freundlich zu ihr und
sagte ihr, dass ich ihre Natur und ihr Handeln ja begriffe und verstaende.
Sie schuettelte zwar das schoene Koepfchen, aber sie liess sich von mir
kuessen, und ich stieg froehlich den Berg wieder hinan. Ich kann nicht lange
traurig sein; mein Herz wendet sich ab vom Kummer, wie eine Pflanze sich
abwendet vom sonnenleeren Nor
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