sprechen. Da kam er nach einer Stunde mit seiner Susanne wieder.
"Herr Doktor", sagte Susanne mit kirschrotem Kopf, "dass er ein Lump ist,
weiss ich. Unsern guten Herrn Doktor so zu beschwindeln wegen lumpiger
tausend Taler, die er jetzt von Ignaz, der ja Stefenson gewesen ist,
Schweigegeld kriegt. Was soll uns das Geld? Was geht uns Herr Stefenson
an? Wir halten uns an unseren guten Herrn Doktor. Aber was das schlimmste
ist, mich hat er auch beschwindelt mit dem langen Ignaz. So ein Lump! Sein
eigenes Weib beluegt er. Ich hab ihm nie getraut, nie im Leben! Nicht ueber
den Weg! Aber jetzt lass ich mich scheiden; er hat gesessen, und mit einem
Zuchthaeusler hat eine anstaendige Frau nichts zu tun."
Was blieb mir uebrig, als fuer den in erbaermlichem Zustand dastehenden
Barthel Partei zu ergreifen und der empoerten Susanne gut und mild
zuzureden? Sie wollte aber auf keinen Zuspruch hoeren. Sie blieb dabei, sie
muesse sich scheiden lassen, da er "gesessen" habe. Schliesslich weinte sie.
"Und was er fuer ein Liedrian ist, Herr Doktor!" schluchzte die brave Frau.
"Fuer die tausend Taler, die er jetzt von Stefenson kriegt, will er sich
eine Dreschmaschine kaufen, wo ich ihm doch sage, dass er das Geld lieber
in die Sparkasse tragen soll." Da erkannte ich, dass das Barthelsche
Eheglueck noch nicht hoffnungslos verloren war, und ich entliess die beiden,
indem ich sie meines Wohlwollens versicherte.
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Ich sass allein in meiner Klause. Ich war in einer Stimmung, die ich nicht
kannte. Wie war das, was ich in den letzten vierundzwanzig Stunden erlebte
- war das traurig, war es komisch, war es erbaermlich? Sollte ich lachen,
sollte ich zuernen?
Sollte mir das Herz weh tun, weil die blonde Hanne fortzog?
Sollte ich grollen, weil Stefenson dem Direktor und einem Bauern mehr
Vertrauen geschenkt hatte als mir, den er seinen Freund nannte?
Sollte ich mich aergern ueber den Barthel, weil er profitsuechtig gewesen
war?
Es blieb ganz still in mir. Wahrscheinlich waren das alles ganz gute,
liebe Leute. Nur das Leben schuettelte die Menschen durcheinander, wie ein
Kind die Steinchen schuettelt, die es in ein Saecklein gesammelt hat. Wenn
es eine Reibung gibt, was schadet es? Ein Kruemlein alter, weicher
Heimaterde broeckelt ab, und der Stein schimmert durch, hart und
widerstandslustig. Dem Stein aber kann keine Reibung mehr schaden, kann
ihn nur glaetten.
Alte,
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